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Gute Maedchen tuns im Bett, boese ueberall

Gute Maedchen tuns im Bett, boese ueberall

Titel: Gute Maedchen tuns im Bett, boese ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne West
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Kindermädchen, dem Parkwächter,
der Zeitungsverkäuferin.
    Das Phänomen der Begierde auf das, was wir täglich sehen, steht im krassen Gegensatz zu der Erkenntnis der Sexualwissenschaftler und Psychoanalytiker; diese besagt, daß alles Neue, Unbekannte, Plötzliche und Andere aufregend, reizvoll und begehrenswert auf den Menschen erscheint.
    Doch noch begehrenswerter scheinen die Dinge - oder vielmehr Menschen - zu sein, die durch ihre tägliche Nähe unerreichbar bleiben.
    Es gibt im Journalismus eine unglaublich wahre und deprimierende Regel: Der Fuchs jagt nicht im eigenen Bau. Ich liebe es, diese Regel in Gedanken zu übertreten. In der Schule war ich in meinen Deutschlehrer verliebt, der mich drei Jahre unterrichtete; danach war es der Biologielehrer, dazwischen ein Golftrainer und irgendwann ein Mitarbeiter meines Vaters.
    Ich war verliebt, ich schwärmte, ich wollte haben, empfinden, diese Menschen noch mehr in mein Leben integrieren. Wollte ich das wirklich?
    Einen Menschen zu begehren, den man aufgrund der gesellschaftlichen und persönlichen Position, in der man sich gegenüber dieser Person befindet, nur schwer oder meist gar nicht in sein idealisiertes Liebesleben aufnehmen kann, ist eigentlich eine ungefährliche Schwärmere i.
    Es wird selten klappen, wenn sich der andere nicht auch in Sie verliebt oder Sie begehrt. Und das weiß man.
Ich unterstelle jedem, der sich in eine nahestehende, aber unerreichbare Person verguckt, einen Mangel an Selbstverantwortung.
Es ist wesentlich bequemer, eine quasi unerreichbare Person zu begehren, als eine, bei der die Gefahr besteht, daß sich tatsächlich eine Affaire d'amour entwickeln könnte.
Ebenso spielt auch der Wunsch nach Harmonie eine Rolle. Mit unseren Kollegen und Kolleginnen verbringe n wir den größten Teil unserer Zeit. Acht bis neun Stunden täglich, und manchmal noch darüber hinaus. Sie prägen uns, ob wir wollen oder nicht. Einen Job über fünf Jahre auszuüben bedeutet auch, fünf Jahre fast immer mit den gleichen Menschen zu tun zu haben. Und plötzlich lernen wir eine ganz neue Seite einer Partnerschaft kennen: Wir arbeiten mit jemandem zusammen und begegnen uns auf einem vorwiegend sachlichen Sektor. Und da klappt es einfach prima! Und jetzt begeht das kleine sehnsüchtige Gehirnchen einen Fehler: Wir versuchen unwillkürlich, die geschäftliche Harmonie und Zusammengehörigkeit auf ein gemeinsames Gefühlsleben zu übertragen. Sich absolut nah sein, auf jeder Basis. Aber da jeder Mensch nicht nur in der Schablone denkt, wird uns auch bald klar, daß das eine nicht das andere einschließt. Deshalb möchte ich hier mehr auf den Aspekt der »ungefährlichen Schwärmerei« eingehen.
    Eine sogenannte ungefährliche Schwärmerei, auch wenn sie bisweilen als heftiges Begehren und augenscheinliches Verliebtsein bis tief empfundene Liebe auftritt, ist eine äußerst hilfreiche Angelegenheit. Hilfreich wobei? Sich verliebt zu fühlen. Jeder kennt dieses beschwingte, energiegeladene Gefühl der aufwallenden Zuneigung zu einem Menschen. Es macht den Schritt federnder, den Gang aufrechter, und die Augen bekommen diesen gewissen Glanz. Eine Diät fällt plötzlich viel leichter, und Dessous oder Aftershaves werden plötzlich unter einem ganz anderen Gesichtspunkt gekauft. Würde es ihm gefallen? Mag sie es?
    Das hört sich jetzt ein wenig nach Klischee und HollywoodLaune an, aber es ist so.
Deswegen plädiere ich für jede Schwärmerei, die so etwas auslöst. Geben Sie sich diesem Gefühl ganz hin, stellen Sie sich vor, wie es wäre, diese Person so zu »besitzen«, wie Sie es wünschen. Gönnen Sie sich ein verlegenes Erröten, machen Sie sich darüber lustig, daß Sie plötzlich kein vernünftiges Wort mehr zustande kriegen, sobald das Objekt Ihrer Begierde sich nähert. Ist es nicht wundervoll?
Sehen Sie es als Spiel an, Ihre ganz persönliche Pokerrunde. Manchmal ist sogar ein Full House drin; und wenn nicht? Nun denn, der Einsatz war nicht zu hoch, als daß Sie nun Haus und Hof verlieren. Oder Ihre Würde. Oder Ihr Selbstbewußtsein. Solange Sie die Regeln aufstellen und der einzige Mitspieler bleiben, kann gar nichts passieren. Sie lieben aus der Ferne und hoffen und wünschen und schwärmen. Und genießen diese süße Qual, wahrscheinlich niemals zum Ziel zu kommen. Warum das so befriedigend sein kann? Weil die Chance, verletzt zu werden, sehr gering ist. Sie behalten Ihr idealisiertes Bild der Person, weil Sie ihm oder ihr nie nah genug kommen

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