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Gute Nacht Jakob

Gute Nacht Jakob

Titel: Gute Nacht Jakob Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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zurück und tat es. Gerade war die Drahtglocke des pensionierten Papageienbesitzers geliefert worden.
    »Das war nur ein Zufall!« erklärte die ewig pessimistische Mama, als sie mein Erlebnis hörte. »Ebensogut hätte sie ihn fressen können. Und denke an Fu (der fette Pekinese der Pensionswirtin)! Nein, Jakob muß unter die Glocke, wenn er im Garten ist und du nicht immer auf ihn aufpassen kannst.« Ich sah es seufzend ein, und so geschah es.
    Jakob schimpfte wie ein Kutscher, als ihm draußen im Garten die Glocke zum erstenmal übergestülpt wurde. Er biß mich wütend in die Hand, als ich ihn festhielt. Mein Herz blutete für ihn. Zum ersten Male geschah etwas gegen seinen Willen. Ein Held, der die Katze in die Flucht schlug, im Bauer! Dann fing er an, aus Wut seine Sitzstange zu zerhacken. Nach einer halben Stunde hatte er es geschafft, obwohl das Holz sehr hart war, und segelte mit seiner Stange in die Tiefe. Er flatterte vor Schreck mit solcher Gewalt hoch, daß sich die ganze Glocke hob und erst einen halben Meter entfernt wieder herunterkam. Dann saß er verdattert und schwer atmend unter ihr.
    »Ein Wüterich!« sagte die Mama voll böser Ahnungen.
    »Er wird sich schon gewöhnen. Sieh mal, er ist schon ganz ruhig, als ob er sich was überlege.«
    Der Pekinese Fu kam angeächzt und besah sich den schwarzen Kobold unter der Glocke aus achtungsvoller Entfernung. Einmal blickte er mit den vorquellenden Augen kurz zu uns auf, wackelte verbindlich mit dem Schwanz, der ihm wie ein Staubwedel aus dem Hinterteil gesteckt war, und beleckte sich die Lefzen. Jakob indessen schien tatsächlich überlegt und die Erfahrung mit der Glocke praktisch ausgewertet zu haben. Jedenfalls packte er sie kurz darauf mit dem Schnabel und schob sie über den Gartenweg, direkt auf Fu zu. Der vergaß alle Freßgelüste und ergriff vor dem wandernden Drahtgestell mit Inhalt die Flucht. Ich strahlte.
    »Na, was sagste nu, Mama? Der hat Mut! Und wie schlau er ist!«
    Aufblickend sah ich das Gesicht der Mama im Widerstreit der Gefühle. Schließlich aber lächelte sie, strich mir über den Kopf und beugte sich zu Jakob nieder, der den Schnabel auf sperrte und ein kläglich bittendes Kraaooh ausstieß.
    »Na, bleib mal noch ‘n bißchen drunter«, sagte sie. »Es hilft ja nichts, kleiner Junge. Nachher holen wir dich wieder heraus.«
    »Du bist schnafte, Mama!« erklärte ich, und das hieß damals soviel wie okay. Darüber hinaus gab es zwischen Männern kein Lob.

STADT

    Als eine weitere Klippe in den nächsten Tagen erwies sich Frau Meier, die Wirtin. Sie hatte ein saures Gesicht geschnitten und war hinter dem Stubenmädchen in unser Zimmer gekrochen, um nach Klecksen zu suchen. Hinter denen war ich aber her wie der Teufel hinter der armen Seele. Ich blieb den ganzen Tag in einem Wischen und Polieren, damit man uns nichts nachsagen konnte. Frau Meier fand sich denn auch mit Jakobs Existenz ab, zumal er der Liebling aller Gäste wurde, die sogar andere Gäste zum Kaffee mitbrachten, um die zahme Dohle zu bewundern.
    Wenn Jakob nicht fraß, entfaltete er eine fieberhafte Tätigkeit. Wie er überhaupt zeit seines Lebens den Eindruck machte, ungeheuer in Eile zu sein. Was gab es aber auch alles zu tim! Da mußte er zum Beispiel eine Kaffeetasse mit aller Kraft an den Gartentischrand wuchten und herunterfallen lassen. (Die Wirtin setzte sie uns zum doppelten Preis auf die Rechnung!) Vom Tisch flatterte er zu Boden, schlich sich von hinten an Emil (>Geh in die Sonne — beweg dich!<) heran, stieg ihm auf den Fuß und hackte ihm durch die Löcher seiner Sandale in die Zehen. Alle — außer Emil — fanden das zum Schreien komisch. Dann köpfte Jakob schnell ein paar Blumen auf dem Beet (worüber die Wirtin weniger begeistert war, weil sie nicht wußte, wie sie sie berechnen sollte) und erflatterte dann den in den Garten hineinragenden Felsen, auf dessen Existenz im Prospekt der Pension besonders hingewiesen war. Aus einer Ritze dieses Felsens förderte er eines Tages mit gewaltigem Gegacker und Gezerre etwas Weißes zutage, das immer länger wurde und schließlich einerseits die Aufmerksamkeit der Wirtin und andererseits die Bestürzung zweier Gäste hervorrief. Es war, wie die Untersuchung dann ergab, ein Handtuch, in dem unzweifelhaft ein großes Brandloch, offenbar von einer Zigarre, entstanden war. Die Mieter von Zimmer drei hatten es achselzuckend als >verschwunden< bezeichnet. Jetzt mußten sie’s bezahlen. Seitdem waren sie bedeutend

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