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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Teufel soll ich bloß tun!« Die letzten Worte schrie er, sie hörte, wie er sich selber wieder zur Vernunft brachte.
    »Entschuldigung … Aber ich mache mir solche Sorgen, dass ich einfach nicht mehr weiter weiß.«
    »Das ist doch verständlich. Haben Sie keine Schlaftabletten, oder so etwas? Ich meine, damit Sie ein wenig schlafen können.«
    »So etwas nehme ich nie.«
    »Sie auch nicht?«
    »Das weiß ich ehrlich gesagt nicht.«
    »Nicht. Nun ja, ich will Sie nicht länger stören. Sollte mir noch etwas einfallen, rufe ich an. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht.«
     
    Jedes Mal, wenn sie sich hinlegte, kehrte alles zurück. Tagsüber hatte es sich fern gehalten. Und nachher, als alles vorbei war, schlief sie ein. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht mehr betrunken, aber als sie aus der Dusche kam, setzte sie sich auf die Bettkante und trank noch ein paar Gläser Wein. Sie merkte, dass sie wieder Schmerzen im Fuß hatte. Dann schlief sie ein.
     
    Sie waren sich in die Arme gefallen. Lange Zeit hatten sie so gestanden und sich umarmt, Berits erhitztes, verheultes Gesicht, ihr besoffenes Weinen, ich habe mir Vorwürfe gemacht, ich habe solche Angst gehabt, Kinder sind eben so, habe ich versucht, mir einzureden, Kindern scheint die Fähigkeit zum Mitgefühl zu fehlen, aber es hat nichts genutzt, oh, Justine, Justine, du musst mir verzeihen.
    Sie war etwas kleiner als Justine und schlanker. Aber sie war stark. Als Justine sie auf die Erde hinunterzog, gab sie widerstandslos nach. Justine wälzte sich auf ihre Brust, schmiss sich nach vorn und drückte ihr den Hals zu. Da erst fing sie an, sich zu wehren. Justine reckte sich nach einem Buch, zerrte es aus dem Bücherregal, es war ein Dostojewskij, und schlug damit direkt auf Berits Nasenrücken. Sie hörte das knirschende Geräusch, spürte, wie der Körper unter ihr sich nicht mehr bewegte, sich ihre Augen verdrehten. Sie war für einen Moment ohnmächtig geworden, vielleicht mehr durch den Schock als durch den Schmerz. Schnell stürzte sie in ihr Schlafzimmer, holte ihr langes Halstuch, wickelte es der liegenden Frau mehrmals um den Hals und zog zu.
    Sie lockerte ihren Griff erst, als kein Zweifel mehr bestand.
    Sie hörte das Telefon klingeln und hob den Hörer ab, es war ein Mann, Nathan? Nein, Hans Peter. Nathan gab es nicht mehr, sein Körper war in Stücke gehauen worden, weit entfernt in einem Strom auf der anderen Seite der Erde, das war lange her, und alles war vergessen.
    Wortlos legte sie den Hörer wieder auf.
     
    Sie wusste haargenau, was sie zu tun hatte. Ohne vorher darüber nachgedacht zu haben, flog ihr jetzt alles zu, es gab eine Stimme, die sie führte. Hole die leinenen Einkaufstaschen aus dem Besenschrank, zwei weiße Stofftaschen mit dem Konsumzeichen darauf. Dann das Halstuch: Sie sah nicht in das Gesicht der Toten, löste das Halstuch von ihrem Hals, ein grausiges, pustendes Geräusch war zu hören, zog es durch die Griffe der Taschen. Band es anschließend wie eine Schärpe um Berits Taille.
    Der Vogel umkreiste sie, geh schlafen, sagte sie ihm, du wirst dir hier im Dunkeln noch wehtun. Aber er hörte nicht auf sie, saß die ganze Zeit auf ihrer Schulter, während sie den Körper die Treppe hinunterschleifte. Er brachte sie für einen Moment aus dem Konzept.
    Erst als sie begann, zur Kellertür zu gehen, hob er ab und flog wieder nach oben.
    »Ich komme gleich!«, rief sie. »Du weißt, dass ich das tue, und dann bekommst du etwas Leckeres, ein Ei sollst du bekommen, vielleicht sogar eins mit einem Embryo, wie es sie manchmal gibt.«
     
    Sie hatte Berit im Flur gelassen. Es gab Steine im Keller, sie erinnerte sich jetzt an sie. Ihr Vater hatte sie mitgebracht, hatte die Steine einem Geschäftsfreund abgekauft, der ihm helfen sollte, einen Grill zu bauen. Aus diesem Grill war nie etwas geworden. Flora hatte gemeckert, sie hörte plötzlich wieder ihre nörgelnde Stimme, nie bekommst du etwas auf die Reihe, sollen sie etwa bis zum Ende aller Tage hier auf dem Hof liegen, das sieht ungepflegt aus, ich will das nicht.
    In einem Wutanfall hatte ihr Vater eines Tages jeden einzelnen Stein in den Keller geschleppt. Ganze zehn Minuten brauchte er dafür, er war blass und raste vor Wut, nahm anschließend das Boot und fuhr auf den See hinaus.
    Justine trug ein paar dieser Steine hinauf und legte sie in die Leinentaschen, aber als sie anschließend versuchte, Berit von der Stelle zu bewegen, ging dies über ihre Kräfte.
    »Verdammte Scheiße«, knirschte

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