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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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sie.
    Ihr Atem ging jetzt schneller, aber sie war nicht wirklich in Panik.
    Sie holte die Steine wieder heraus. Mit etwas Mühe zog sie Berit die Jacke und die hässliche braun karierte Mütze an. Beinahe hätte sie die Fingerhandschuhe vergessen, die auf dem Hutregal lagen. Als sie die Handschuhe entdeckte, versuchte sie zunächst, sie über Berits Hände zu ziehen, hielt dann aber schluchzend inne und stopfte sie in die Jackentaschen der Toten.
    Danach zog sie sich selbst an. Sie zerrte den Tretschlitten zur Treppe. Jetzt kam das Schwerste, den leblosen Körper herabzuwuchten und auf der Ladefläche des Schlittens abzusetzen. Die ganze Zeit über war sie sich der Schmerzen in ihrem Fuß bewusst, aber es war, als erreichten sie die Schmerzen nicht wirklich. Sie belastete den Fuß, und es stach und schmerzte unablässig, aber es war ein gedämpfter und verhaltener Schmerz. Sie würde sich später mit ihm beschäftigen.
    Sie ließ ihre Last auf den Schlitten fallen. Die Kufen rutschten ein wenig, die Arme der Toten schlugen schwer in den Schnee. Justine versuchte, sie in Berits Schoß zu legen, aber sie fielen immer wieder zurück, unkontrolliert. Deshalb musste sie hineingehen und nach einer Schnur suchen. Erst fand sie keine, zog jede einzelne Schublade in der Küche heraus, kippte ihren Inhalt auf den Fußboden.
    Und nun zeigte sie erste Anzeichen von Panik.
    Sie ging zum Spiegel, betrachtete ihr Gesicht, sprach ihren Namen laut aus:
    »Justine! Das bist du dir schuldig, vergiss das nicht! Denk immer daran!«
    Ihre Hände hatten angefangen zu zittern, sie hob sie und versetzte sich selbst zwei feste Ohrfeigen, calm, calm, werd jetzt nicht hysterisch, du weißt, was er davon hält.
    Da ging es vorüber.
    Gleich darauf fand sie das Knäuel aus Schnüren. Es lag in der Fensternische, sie erinnerte sich, dass sie es vor einigen Tagen gebraucht hatte, um … nein, sie erinnerte sich nicht mehr, wozu. Sie hob die Schere vom Boden auf und ging hinaus.
    Berit saß zusammengesunken auf dem Schlitten, war nahe daran, herunterzurutschen. Justine zurrte sie am Schlitten fest, um den Bauch, die Hände, die Beine. Ihr Kopf hing herab, das gebrochene Genick, nicht in die erstarrten Augen gucken, nicht gucken, sie zog ihr die Mütze so weit ins Gesicht wie möglich, ging wieder hinein und holte die Steine.
    In jede Leinentasche passten fünf Steine.
    Es war eine dunkle und neblige Nacht. Sie ahnte die Konturen eines Flugzeugs hoch über ihr, hörte sein Motorengeräusch. Nur mit großer Mühe gelang es ihr. den Tretschlitten zum See zu bugsieren. Die Kufen sackten ständig in dem pappigen Schnee ein. Es ging etwas besser, als sie schließlich aufs Eis hinauskam. Sie schob den Schlitten so weit hinaus, wie sie sich traute, ängstlich geworden durch die hämmernden und durchdringenden Laute, die ihr von Zeit zu Zeit von dort draußen entgegenhallten. Sie ging so lange, bis sie nasse Füße bekam. Sie sah eine Wasserschicht auf dem Eis.
    Dann blieb sie stehen und nahm Anlauf. Humpelnd lief sie auf den Schlitten zu, versetzte ihm einen Stoß, brachte ihn so dazu, ein Stück vorwärts zu gleiten. Aber es reichte nicht. Noch trug das Eis. Sie musste versuchen, noch ein Stück weiter hinauszukommen. Sie legte sich auf den Bauch, robbte vorwärts, der Mantel sog die Nässe auf, aber sie fror nicht, es schien eher zu brennen, sie stemmte die Hände gegen Berits Hinterteil und stieß noch einmal zu. Der Schlitten glitt etwa zehn Meter weiter. Man hörte krachende und glucksende Geräusche, dann kippte der Schlitten vornüber, sie sah, wie er langsam ins Wasser glitt, sah die schwankenden Kufen, wie alles versank und verschwand.
     
    Zurück im Haus meldeten sich die Schmerzen in ihrem Fuß. Sie zog die nassen Sachen aus und stopfte sie in den Trockner.
    In der Dusche entdeckte sie die Abschürfungen auf ihren Armen, Schürfwunden von Fingernägeln. Es brannte höllisch, als sie Salbe darauf tat.
    Aber erst als sie zur Schlafzimmertür kam, fiel ihr Blick auf Berits Tasche. Sie stand noch neben dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatte.

3. KAPITEL
    Am Morgen war sie von einem Gewicht auf ihrem Brustkorb erwacht. Sie hatte versucht zu schreien, aber ihr Hals war wie eine Raspel. Sie tastete zwischen den Laken und fühlte den Vogel, nie zuvor war er auf ihrem Bett gelandet.
     
    Sie hatte Berits Tasche in ihrem Kleiderschrank versteckt. Als sie am frühen Morgen in den oberen Flur kam, entdeckte sie noch eine Tasche, eine dunkelblaue

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