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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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Kurierdienst mit ein paar Wagen. Sie ist für mich gefahren, so haben wir uns kennen gelernt.«
    Ein Fisch schwamm zur Oberfläche und schnappte nach Luft. Das taten sie manchmal, wenn sie noch mehr Sauerstoff brauchten. Er fragte sich, ob sie merkten, dass sie eingesperrt waren. Auf jeden Fall konnten sie durch das Wasser und das Glas hinausschauen. Wenn Ariadne näher kam, schwammen sie alle zur Oberfläche, sie wussten, dass sie ihnen das Futter brachte, die Fische erkannten sie.
    »Wenn Ihre Frau sich mit anderen Männer trifft, gibt es dafür vielleicht einen Grund«, sagte er vorsichtig.
    »Was denn für einen Grund?«
    »Was weiß ich. Aber sie ist offenbar nicht unbedingt zufrieden damit, wie Sie zusammenleben. Jedenfalls habe ich den Eindruck.«
    »Im Leben ist man nun mal nicht immer auf Rosen gebettet, oder?«
    »Nein, das ist wahr.«
    »Aber das ist man vielleicht im ›Drei Rosen‹, ha, ha?«
    Hans Peter lachte.
    »Und Sie?«, sagte der Mann. »Sind Sie verheiratet?«
    »Gewesen.«
    »Da sehen Sie, wie schnell das geht.«
    »Stimmt.« Hans Peter seufzte.
    »Ist sie abgehauen? Oder etwa Sie?«
    »Regelrecht abgehauen ist eigentlich keiner von uns. Wir hatten uns wohl … irgendwie auseinander gelebt.«
    »Aber Agneta und ich, wir …«
    »Können Sie miteinander reden? So lange man das noch
kann …«
    »Wie man’s nimmt.«
    Der Mann verstummte. Er nahm sich eine der Zeitungen und begann, in ihr zu blättern, vor allem, um etwas zu haben, womit er seine Hände beschäftigen konnte. Jemand ging in der ersten Etage über den Flur. Und wenn es wirklich eine Agneta Lind unter den Gästen gab? Und sie jetzt mit ihrem Geliebten im Schlepptau herunterkam? Hans Peter versuchte, sich zu erinnern, wer sich an diesem Abend ins Gästebuch eingetragen hatte, wie hatten die Leute ausgesehen, war eine Frau mit kurzen, roten Haaren dabei? Er glaubte eigentlich nicht.
    »Wissen Sie was«, sagte Björn Lind und stand schwerfällig auf. Er schien jetzt vollkommen nüchtern zu sein. »Ich verziehe mich. Ich möchte Ihnen ganz herzlich danken. Ich weiß zwar nicht recht wofür, aber jedenfalls vielen Dank. Wenn schon für sonst nichts, dann wenigstens für den Kaffee.«
     
    Er konnte nicht mehr lesen. Verstand kein Wort mehr von dem, was er las. Er spülte die Tasse und den Teller, wusch die Kaffeekanne aus. Er fühlte sich etwas niedergeschlagen, ohne dass er eigentlich verstand, warum. Er wünschte, die Nacht würde schnell vergehen, damit er nach Hause gehen und sich hinlegen konnte. Seine Glieder schmerzten, als wäre er auf dem besten Weg, krank zu werden.

9. KAPITEL
    Nach langer Zeit hatte das Mädchen wieder begonnen, sie zu besuchen. Sie war verändert. Etwas kam ihr fremd vor an ihr, etwas an ihrer Haltung. Als hätten sich die Wirbel in ihrem Rückgrat wieder gestreckt, als wäre sie in sich gegangen und hätte die kleine Justine wiedergefunden, so wie sie früher einmal gewesen war. Und Justine hielt sie nun wie einen Schild vor sich, wenn sie den Raum betrat.
    Ja, schon dieser Moment, allein schon ihre Art zu gehen war anders, glich nicht diesem vorsichtigen Schleichen, das sich Angehörige kranker Menschen angewöhnen. Stattdessen hieß es jetzt, die Tür auf und hereinspaziert. Mit einem unangenehmen Quietschen zog sie dann immer einen Stuhl an das Bett heran und saß vollkommen regungslos da, hoch gewachsen und kühl. Saß da und starrte sie mit dem gleichen verschlagenen Blick an, wie sie es schon einmal vor langer Zeit getan hatte.
    Eine schleichende Angst überkam Flora in ihrem Bett dann immer. Die Decke lag ihr dann schwer auf der Brust. Bei diesen Gelegenheiten war es ihr, als könnte sie ihren Körper wieder mit aller Sensibilität bis in die letzte Zelle hinein spüren wie vor dem Anfall. Sie versuchte, die Augen zu schließen und so zu tun, als schlafe sie, aber immer wieder musste sie die Augen einen Spalt weit öffnen, um zu kontrollieren, ob das Mädchen noch da saß, um zu sehen, ob ihre Stellung sich verändert hatte. Es wurde eine Art Zwang.
    Sie ertappte sich dabei, auf die Schritte des Mädchens zu lauschen, sogar in den Nächten. Wenn sie diesen verdammten Weißhosen doch nur klar machen könnte, dass sie keinen Besuch mehr wünschte, von niemandem. Nicht einmal von ihren nächsten Angehörigen.
    Die erste Zeit war Flora nicht bei Bewusstsein gewesen und hatte nicht gewusst, ob sie Besuch bekam oder nicht. Als sie dann langsam das Bewusstsein wiedererlangte, stand das Mädchen an ihrem

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