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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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stehen.
    »Wir könnten Hilfe gebrauchen.«
    Er kam ihnen entgegen und breitete die Hände aus.
    »Ich schlecht sprechen Schwedisch«, sagte er entschuldigend.
    »Das macht nichts, Hauptsache, Sie können fahren.«
    »Kann fahren. Euch fahren?«
    »Danke, das wäre nett. Die Dame hier hat sich den Fuß verletzt. Wir könnten jemand gebrauchen, der uns ein Stück mitnimmt, sie wohnt nicht besonders weit von hier.«
     
    Jetzt waren sie am Haus angekommen. Sie sagte:
    »Vielen Dank für die Hilfe.«
    So wie sie es sagte, klang es ein wenig, als wolle sie, dass er noch bleibe.
    Er sagte: »Ich kann mir ja den Fuß einmal ansehen. Ich habe beim Militär ein wenig über Krankenpflege mitbekommen.«
    »Nun, wenn Sie wollen … Wir können in die Küche gehen.«
    Auf der Spüle saß ein großer Vogel. Er trank Wasser aus einer Schale.
    »Ich hoffe, er stört Sie nicht«, sagte sie leise.
    »Wie meinen Sie das?«
    »Einige Leute haben Angst vor dem Vogel.«
    »Ich finde es nur ein wenig ungewöhnlich. Gehört er Ihnen?«
    Sie nickte. Er zog ihr die Schuhe aus und setzte sich ihr gegenüber, legte ihr Bein auf seinen Schoß.
    »Ist das eigentlich eine gute Idee, bei so einem Glatteis laufen zu gehen?«
    Sie hatte jetzt wieder etwas Farbe im Gesicht.
    »Offensichtlich nicht«, sagte sie trocken.
    Der Fuß hatte eine komische Form, mit kleinen, ein wenig gebogenen Zehennägeln. Er dachte an etwas, das er gelesen hatte. Männer haben flache Nägel, Frauen gebogene. Er fragte sich, warum.
    Direkt neben dem Fußknöchel war eine schwache Schwellung zu erkennen. Er nahm den Fuß und bewegte ihn ein wenig hin und her.
    »Tut das weh?«
    »Ein bisschen.«
    »Gebrochen ist er anscheinend nicht. Ich kann Ihnen einen Verband machen.«
    »Das wäre nett. Oben in meinem Schlafzimmer gibt es einen Schrank mit Medikamenten. Dort müsste es auch eine elastische Binde geben. Es ist das Zimmer, in dem nur ein Bett steht.«
    Er ging in den Flur hinaus und die steile Treppe hinauf. An den Wänden hingen hinter Glas zwei Plakate aus den vierziger Jahren. Sie warben für Halspastillen. Oben mündete der Flur in ein großes Zimmer voller Bücher. Er warf einen Blick auf die Titel, wagte es aber nicht, zu lange zu bleiben. Die Tür zu ihrem Zimmer stand einen Spalt weit offen. Das Bett war ordentlich gemacht, aber der Fußboden war schmutzig, Federn und Körner. Ein großer Ast schien aus dem Boden zu wachsen. Dann begriff er, dass er in einem Weihnachtsbaumständer stand. Offenbar hielt sie den Vogel in diesem Zimmer, im gleichen Zimmer, in dem sie auch schlief.
    »Kommen Sie klar?«, rief sie von unten aus der Küche.
    »Was haben Sie gesagt, wo der Schrank steht?«
    »Links vom Fenster, sehen Sie ihn?«
    Ja, da war er. Er hockte sich hin und öffnete ihn, jede Menge kleiner Flaschen und Döschen und ganz hinten aufgewickelt eine elastische Binde. Als er sie herausnahm, war der Vogel da, irgendwo hinter ihm. Er setzte sich auf seinen Ast, gab einen krächzenden Laut von sich. Hans Peter blieb in der Hocke, bewegte sich nicht.
    »Keine Angst«, rief sie von unten. »Er tut nichts.«
    Der Vogel glotzte ihn mit einem Auge an. Er hatte ein Bein hochgezogen und klapperte mit dem Schnabel. Hans Peter war nicht wohl bei der Sache. Würde er sich auf ihn stürzen, sobald er sich bewegte? Er hob schützend seine Arme und ging seitwärts zur Tür hinaus. Der Vogel schlug mit den Flügeln, blieb aber sitzen.
    »Warum haben Sie diesen Vogel?«, fragte er später, als er ihren Fuß verbunden und ihnen beiden eine heiße Milch gemacht hatte. Heiße Milch hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr getrunken. Sie waren in das große Zimmer mit den Büchern umgezogen. Er sagte, dass er jetzt gehen werde, mehrere Male hatte er das gesagt.
    »Unter anderem, damit er mir Gesellschaft leistet.«
    »Sind die nicht am liebsten draußen, solche großen Vögel?«
    »Das hat bei ihm keinen Sinn. Er ist zu stark von Menschen geprägt worden. Lässt man ihn frei, wird er augenblicklich von anderen Vögeln angegriffen.«
    »Haben Sie es mal versucht?«
    »Er flog rauf in die Eiche da draußen. Schwupps war der ganze Himmel voller Elstern. Ein paar haben sich auf ihn gestürzt, was wahrscheinlich sein Glück war, denn er verlor den Halt und stürzte direkt in meine Arme. Seitdem bekommt er Angst, sobald man ein Fenster öffnet.«
    »Wohnt sonst niemand hier?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Auch hier oben hingen gerahmte Plakate mit Sandypastillen. Er zeigte auf die Plakate und

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