Gute Nacht, mein Geliebter
zurück und furzte gleichzeitig geräuschvoll.
Glucksendes Gekicher, zahnlos.
»Dass es mit uns einmal so enden würde! Das hätte ich nie gedacht.«
Flora schloss die Augen. Siv hieß sie, Siv. Siv mit den langen Zehen. In ihrem Zimmer lernten sie tanzen, Floras Schwestern waren auch dabei. Eine von ihnen, welche? Rosa, die so gerne tanzte?
Sie wurde dann schwanger, Siv war in anderen Umständen. Die gespannte Haut über ihrem Bauch, wie sie trotzdem nicht im Boden versank. Sondern lächelte. Die ganze Zeit lächelte und lachte, bis das Baby eines Nachts herausplumpste und geboren war.
Eine Schande? Ja, sicher. Es war immer eine Schande, wenn so etwas herauskam. Dass man ohne den Segen eines Priesters einen Mann in die Arme geschlossen und empfangen hatte. Sie selbst hatte Sven Dalvik mit allen erdenklichen Segenssprüchen empfangen. Genutzt hatte es trotzdem nichts.
»Du weißt, dass Siv tot ist, oder? Das ist jetzt schon einige Jahre her, es war 1992. Lag im Bett und starb einfach. Warum ist uns das nicht vergönnt gewesen, Flora? Im Bett zu liegen und einfach zu sterben.«
Die Weißhosen. Plätschern und spritzen mit Wasserschüsseln. Das Nasse zwischen den Beinen, endlich war es fort. Sie fror immer, nachdem sie ihr die Windel ausgezogen hatten, eine Gänsehaut zog sich über Bauch und Schenkel. Liegen und dampfen. Wie ein frisch aufgeschnittener Fisch. Sie fixierte ihre jungen Gesichter. Würde es ihnen gelingen, sich zu beherrschen, für sich zu behalten, was sie wirklich fühlten? Die klebrige, braune Brühe. Ja, die Verdauung hatte sich selbstständig gemacht, Albtraum oder Wirklichkeit. Flora hatte sie in der Nacht gehört, die Schritte der Mädchen, sie hatten sich im Gleichschritt genähert wie marschierende Soldaten, sie hatte die Tür angestarrt, aber sie war nicht aufgegangen. Es war Nacht gewesen.
»Hast du etwas gegessen, was du nicht verträgst, Flora? Ich glaube, heute gibt es für dich nur Tee, keinen Kaffee mehr.«
»Mein Gott, wie das stinkt.«
»Ja, ja, Märta, wir machen ein Fenster auf.«
Jetzt saß sie in dem knallgelben Sessel, Märta Bengtsson ihr gegenüber. Wie die dicksten Freundinnen.
»Eins verstehe ich allerdings nicht. Was du in einer solchen Abteilung hier machst. Nicht, dass es mich etwas angeht …
Aber es gibt doch private Pflegeheime. Ja. Ich weiß, das hier nennt sich auch privat, aber es ist doch so ein Partena-Haus oder wie die heißen. Ich meine etwas richtig Feines. Fast wie eine private Krankenschwester. Du müsstest dir so was doch leisten können, oder? Wenn man das Vermögen der Dalviks bedenkt. Das habt ihr doch nicht alles verjubelt, als ihr noch lebtet. Aber was rede ich da. Als Sven Dalvik noch lebte, meine ich natürlich. Obwohl ihr bestimmt ein ganz anderes Leben geführt habt als ich und … Man sah euch manchmal in den Schlagzeilen. Richtige Hochglanzbilder. Du hast ein reiches Leben gehabt, Flora. Ich muss es einfach noch mal wiederholen: Wer hätte gedacht, dass wir so enden?«
Ein reiches Leben? Ja, was das Geld anging. Ja, sehr reich.
Und als sie die Kleine in den Griff bekommen hatte, wurde es etwas leichter. Sie war mit Liebe angetreten, mit der Bereitschaft, anzunehmen und zu lieben. Aber dann stellte sich heraus, dass dies der falsche Weg war. Belagern musste man, belagern und besiegen.
Sie brachte Justine von Zeit zu Zeit in den Keller und versetzte ihr eine Tracht Prügel, setzte sie in den Waschzuber und machte Feuer. Nie so, dass sie sich verbrannte, nie so.
Aber ein Kind muss wissen, wo seine Grenzen sind.
Svens Unterwürfigkeit dem Mädchen gegenüber ging ihr auf die Nerven.
Der Blick in ihren Augen, wenn er sie in den Arm nahm und mit Küssen und Zärtlichkeiten überhäufte. Die Augen des Mädchens wichen dann keine Sekunde von ihr. Triumphierend strahlten sie ihr entgegen.
Sie hatte etwas Krankhaftes an sich. Etwas Geisteskrankes.
Sie versuchte, mit Sven darüber zu reden. Wenn sie sich geliebt hatten, nur dann. In diesem Moment war er für alles offen und empfänglich. Auch wenn er nicht ihrer Meinung war.
»Nein!«, sagte er. »Mit dem Mädchen ist alles in Ordnung. Aber du musst versuchen, sie zu verstehen. Sie trauert noch um ihre Mutter.«
»Sven, Liebling, sie kann sich unmöglich an ihre Mutter erinnern.«
»Es ist dieses Gefühl, es frisst sie innerlich auf, nagt ein Loch in sie. Wir dürfen das nicht zulassen, wir werden ihr unsere ganze Liebe geben.«
Die ganze?, dachte sie. Unsere ganze Liebe?
Und
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