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Gute Nacht, mein Geliebter

Titel: Gute Nacht, mein Geliebter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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fragte, warum sie dort hingen.
    »Sven Dalvik war mein Vater. Der Sandy-Konzern, na, Sie wissen schon.«
    Er wusste nicht, was sie seltsamerweise zu freuen schien.
    Er ging an den Bücherreihen entlang und schaute.
    »Lesen Sie gern?«, fragte sie.
    »Ja. In meinem nächsten Leben werde ich Antiquar.«
    »Und was machen Sie in diesem Leben?«
    »Ach, ich bin Nachtportier.«
    »Sie hätten Arzt werden sollen. Wenn man bedenkt, in welchem Tempo Sie meinen Fuß versorgt haben.«
    Er sah sie ernst an.
    »Du hast da im Schnee gesessen, als wärst du tot. Als wärst du ermordet worden.«
    »Ermordet! Warum sagst du so etwas?«
    »Es sah einfach so aus. Wie man es in Filmen gesehen hat.«
    »Oh Gott …«
    »Wenn ich nicht gekommen wäre …«
    »Ich wäre nach einer Weile schon aufgewacht. Das ist mir auch früher schon passiert. Der Fuß knickt um, es tut höllisch weh, durch den Schmerz werde ich ohnmächtig.«
    »Aber wie kommt es überhaupt dazu?«
    »Ich habe ihn mir einmal vor langer Zeit gebrochen. Seitdem ist er nicht mehr richtig in Ordnung. Ich versuche ihn zu trainieren, indem ich laufe. Das muss ich jetzt erst mal sein lassen.«
    »Ja, der Meinung bin ich allerdings auch!«
    Er betrachtete die Bücherregale.
    »Hast du dir die Bücher alle selbst gekauft?«
    Sie lachte auf, ein kurzes und ein wenig höhnisches Lachen. »Glaubst du, dazu wäre ich nicht in der Lage?«
    »So habe ich das nicht gemeint!«
    »Nein, entschuldige. Doch, sie gehören mir. Es hat in diesem Hause nie jemand gegeben, der so etwas wie Lust am Lesen verspürte. Außer mir.«
    »Wohnst du schon lange hier?«
    »Ich bin hier aufgewachsen.«
    »So ist das also … Ich sehe hier gerade, dass du Bernard Malamud hast. Kennst du dich bei ihm aus?«
    »Wie man’s nimmt. Ich habe ihn vor ein paar Jahren gelesen und mochte, was er schrieb. Ich glaube, da müssten drei oder vier Bücher von ihm stehen.«
    »Oh, ich mag seinen Stil auch. Ich habe bisher zwar nur eins seiner Bücher gelesen, ›Der Gehilfe‹, aber das hat mich sehr berührt.«
    »Du kannst dir eins ausleihen, wenn du willst.«
    Er empfand eine eigenartige Freude.
    »Das würde ich sehr gerne tun«, sagte er.

14. KAPITEL
    Das Licht:
    Das sehr schnell in eine schwarze und schwingende Dunkelheit stürzte. Das Blitzen einer Scherbe, eines Auges. Der Schrei der Mutter und der Schwestern, Flora, Flora, oder die Schreie der Möwen aus weiter Ferne.
    Erinnerte sie sich daran? Sie war noch ein sehr kleines Kind und lag in einem Korb unter den Bäumen.
    Nein.
    Man hatte ihr davon erzählt.
    Wie du dalagst und wie Mama uns davonlief, wie sie schrie.
    Warum schrie sie?
    Nun, ein Vogel saß auf der Brust des Kindes.
    Er hackte mit seinem kräftigen, schwarzen Schnabel nach dem Auge des Kindes.
    Doch. Natürlich war es da. In ihr. Der Geruch aus dem weit aufgerissenen Vogelschlund, der Geruch von Kropf, Wühlmäusen, Würmern, Dreck. Ein Speicheltropfen spritzte auf ihre Wange, und obwohl sie zu klein war, um schon Angst zu haben – bekam sie Angst. Sie schrie im Schrei der Mutter. Und der Schrei des Vogels und wie er aufflog, denn ihre Schwestern kamen, sie hoben Steine von der Erde auf und warfen, wie er dennoch weiter über dem Baum kreiste, noch lange danach.
    »Flora, du bist es doch, oder? Erkennst du mich denn nicht?«
    Sie drehte den Kopf. Morgen.
    Die Frau in dem anderen Bett hatte dagelegen und sie beobachtet. Wie lange schon?
    »Ich verstehe … dass du nicht sprechen kannst. Aber du musst mich doch erkennen, Märta Bengtsson. Dein Vater hatte Klintgårdens Gärtnerei, wir kamen immer zu euch und kauften Rote Bete.«
    Das schlappe Grau unter dem Kinn, die trüben Augen, ein geäderter Arm, der in ihre Richtung zeigte.
    »Wer hätte gedacht, dass wir einmal hier landen würden … noch dazu im gleichen Zimmer. Die bezaubernde Flora Dalvik und ich.«
    Oh ja, sie erinnerte sich sehr wohl. Ein plärrendes und anhängliches Kind, niemals richtig sauber. Ihre Schwester
hieß …
    »Ihr gingt tanzen, meine Schwester und du. Oh, was war ich neidisch. Ihr wart so schick in euren Kleidern … und du trugst immer Sachen, die rosa waren, ja, ich meine, es wäre rosa gewesen … aber du nanntest es Aprikose! Aprikose! So viel wusste man schon noch, dass das nur eine Obstsorte war und nichts anderes.«
    Märta Bengtsson war es gelungen, an den Galgen über ihrem Bett zu kommen, und sie versuchte, sich hochzuziehen. Ihre gefleckten Arme streckten sich. Sie schaffte es nicht, fiel in die Kissen

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