Gute Nacht, Peggy Sue
Statt dessen haben wir uns in die Haare gekriegt. Wie immer.«
»Lassen Sie mich raten«, sagte M. J. »Sie waren mit ihr im L’Etoile in der Hilton Avenue.«
Er nickte. »Maeve tauchte in schwarzer Lederkluft und mit grünen Haaren auf. Sie hat den Oberkellner beleidigt, sich einen Joint im Speisezimmer für Nichtraucher angezündet und mir dann erklärt, ich hätte verkorkste Wertvorstellungen. Ich habe ihr geantwortet, wenn jemand verkorkst sei, dann sie. Außerdem habe ich ihr eröffnet, daß sie mit meiner finanziellen Unterstützung nicht mehr rechnen könne. Aber falls sie sich zusammenreißen und sich wie ein verantwortungsbewußter Mensch benehmen würde, sei sie jederzeit wieder zu Hause willkommen. Ich hatte gerade meine Telefonnummer ändern lassen … ich bekam Drohanrufe … also habe ich ihr die neue Nummer in das Streichholzheftchen geschrieben und es ihr gegeben. Nur für den Fall, daß sie wieder Verbindung mit mir aufnehmen wollte. Sie hat es nicht getan.«
»Und das Streichholzheftchen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat sie es einer Freundin gegeben. Und dann ist es irgendwie in die Hände Ihrer unbekannten Leiche gelangt.«
»Und seit dem Vorfall im Restaurant haben Sie Maeve nicht wiedergesehen?«
»Nein.«
Sie hielt kurz inne. »Und wie paßt Lou Beamis ins Bild?«
»Ein Privatdetektiv, den ich engagiert hatte, hat mir gesagt, daß sich Maeve in der Gegend von South Lexington herumtreibt. Ich habe Beamis daraufhin gebeten, mir einen privaten Gefallen zu tun und die Augen offenzuhalten. Er glaubt, sie einmal gesehen zu haben … aber das war’s auch schon.«
Das klang glaubhaft. M. J. betrachtete ihn aufmerksam, seine Körperhaltung, seinen ausgezeichnet sitzenden Smoking.
Warum werde ich nur das Gefühl nicht los, daß er noch immer etwas verschweigt?
Sein Blick schweifte ab, so als habe er Angst davor, was sie in seinen Augen lesen könnte.
»Was Sie mir da erzählen, Mr. Quantrell, ist wirklich nicht weltbewegend. Viele Familien haben Probleme mit ihren Kindern. Warum hatten Sie Angst, mir von Maeve zu erzählen?«
»Es ist … eine ziemlich peinliche Angelegenheit.«
»Ist das alles?«
»Reicht doch, oder?« Er wirbelte herum und sah sie an. Die Empörung war in seinem aristokratischen Gesicht deutlich zu erkennen. Sie fühlte sich vom Zauber dieses Blicks gefangen. Was hatte der Kerl nur an sich?
Sie schüttelte den Kopf, als müsse sie erst wieder klar denken können. »Es reicht nicht. Warum haben Sie mir die Wahrheit nicht schon heute morgen gesagt? Ich bin eine Beamtin, eine Dienerin dieser Stadt. Und vor Dienern ist einem doch nichts peinlich, oder?«
Er lächelte verkrampft. »Ihnen, Dr. Novak, gehen dienende Eigenschaften vollständig ab.«
»Gibt es da noch etwas über Maeve, das Sie mir verschweigen? Irgendein unwichtiges Detail, das sie nicht erwähnt haben?«
»Nichts, das eine Bedeutung für Ihren Job haben könnte.«
Er wandte sich ab. Ein sicheres Zeichen, daß er wirklich nicht die ganze Wahrheit sagte. Sein Blick blieb an einem der Kühlfächer hängen.
»Dann würde ich sagen, daß wir hier fertig sind«, erklärte M. J. »Fahren Sie nach Hause zu Ihren Gästen. Wenn Sie sich beeilen, kommen Sie zu Nachtisch und Brandy gerade noch rechtzeitig.«
»Wer liegt hier drin?« fragte er scharf.
»Wo?«
»Hier in diesem Fach. Da steht ›Unbekannt, weiblich‹ drauf.«
M. J. betrachtete das Schild genauer: 372-3-27-B. »Noch eine unbekannte, weibliche Leiche. Das Datum ist sieben Tage alt. Ratchet muß die Untersuchungen durchgeführt haben.«
»Wer ist Ratchet?«
»Ein Kollege. Er ist augenblicklich im Urlaub.«
Adam holte tief Luft. »Darf ich …« Er sah M. J. stumm an. Sie nickte. Wortlos zog sie die Schublade auf.
Schwaden eisiger, kondensierter Luft wirbelten ihnen entgegen. M. J. fühlte das altbekannte Zögern, das Leichentuch hochzuheben, um die Leiche zu entblößen. Diese Unbekannte hatte sie noch nicht gesehen. Sie machte sich auf das Schlimmste gefaßt und zog das Leichentuch zurück.
Die Frau war eine Schönheit. Sieben Tage im eiskalten rostfreien Stahl hatten dem Glanz ihres Haars nichts anhaben können. Es hatte eine satte, rostrote Farbe und fiel in weichen Wellen auf ihre Schultern. Ihre Teint war wie Alabaster. Ihre Augen unter den halb geöffneten Lidern waren grau. Keine äußerlich sichtbare Verletzung an ihrem Oberkörper zerstörte das Bild der Makellosigkeit … bis auf einen winzigen Einstich am
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