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Gute Nacht, Peggy Sue

Gute Nacht, Peggy Sue

Titel: Gute Nacht, Peggy Sue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Boss.«
    »Seit wann?«
    »Seit einem Jahr. Hat alles übernommen, als es mit Berto bergab ging. Was du hier auch kriegst, kriegst du nur über Jonah.«
    »Danke«, sagte M. J. »Wir halten uns daran.« Sie wollte schon aufstehen, als ihr noch eine Frage einfiel. »Papa Earl«, sagte sie. »Kanntest du einen Jungen namens Nicos Biagi?«
    Der alte Mann überlegte. »Hab von ihm gehört, ja.«
    »Xenia Vargas?«
    »Vielleicht.«
    »Hast du gehört, daß sie gestorben ist?«
    Er seufzte. »In der Gegend sterben viele Leute. Zu viele, als daß sich deshalb noch jemand aufregen würde.«
    »Sie haben beide dieselbe Droge genommen, Papa Earl. Diese Droge ist in die Projects eingeschleust worden, und sie bringt Leute um.«
    Er sagte nichts. Er saß einfach nur da, und seine blicklosen Augen starrten sie an.
    »Falls du was hörst, irgendwas, rufst du mich dann an?« Sie holte ihre Visitenkarte heraus und legte sie auf den Tisch. »Ich brauche in dieser Sache Hilfe.«
    Er berührte die Karte. Seine knorrigen Finger glitten über »Dr. M. J. Novak« in schwarzen Druckbuchstaben. »Arbeitest du noch für die Stadt?« wollte er wissen.
    »Ja. Für die Gerichtsmedizin.«
    »Ich begreife dich nicht, Mariana. Du bist jetzt ein Doktor … und du kümmerst dich um tote Leute.«
    »Ich finde raus, warum sie gestorben sind.«
    »Aber dann ist es zu spät. Du kannst ihnen nicht mehr helfen. Du solltest in einem Krankenhaus arbeiten. Oder hier deine eigene Praxis eröffnen. So hat es deine Mama gewollt.«
    M. J. spürte plötzlich Adams Blick auf sich ruhen.
Verdammt, Papa Earl,
dachte sie.
Spar dir deine Predigt für eine andere Gelegenheit auf.
    »Ich mag den Job«, entgegnete sie. »In einem Krankenhaus würde ich’s nicht aushalten.«
    Papa Earl sah sie mit traurigem Verständnis an. »Das waren schlimme Zeiten für dich, was? All die Monate mit deiner Mama …«
    M. J. stand auf. »Danke für deine Hilfe, Papa Earl. Wir müssen jetzt gehen.«
    Bella und ihr Großvater begleiteten sie durchs Wohnzimmer. Der Raum hatte sich nie verändert. Die Sessel standen stets an exakt derselben Stelle, und Papa Earl navigierte zwischen ihnen hindurch wie eine Fledermaus mit Radar.
    »Das nächste Mal«, grummelte er, als Adam und M. J. die Wohnung verließen, »warte nicht solange, bis du wiederkommst.«
    »Versprochen«, sagte M. J. Aber ihre Worte klangen irgendwie hohl.
Ich glaub’s ja selbst nicht,
dachte sie.
Warum sollte er?
    Sie hasteten die vier Treppen hinunter, stiegen über dieselben kaputten Spielsachen, dieselben Zigarettenkippen. Die Gerüche des Hauses, der Widerhall der Fernseher und Kinderschreie erfüllten das Treppenhaus, und eine Woge von Erinnerungen schlug über ihr zusammen: Wie sie auf diesen Stufen gespielt hatte, wie sie vor ihrer Wohnungstür gesessen hatte, die Knie an die Brust gezogen. Wie sie gewartet hatte, gewartet, daß sich ihre Mutter beruhigte. Wie sie dem Weinen in der Wohnung gelauscht hatte, dem Ausdruck der Schmerzen ihrer Mutter, der Verzweiflung ihrer Mutter. Diese Erinnerungen erfaßten sie mit aller Macht, während sie die Treppen hinunterging, und sie wußte genau, warum sie so viele Jahre gewartet hatte, bis sie zurückgekommen war.
    Auf dem Treppenabsatz im dritten Stock blieb sie vor der Tür zum Apartment 3H stehen. Die Tür hatte eine andere Farbe, war nicht mehr grün, sondern grell orange. Außerdem war ein Spion eingebaut worden. Auch drinnen würde es anders aussehen. Andere Menschen. Eine andere Welt.
    Sie fühlte, wie Adams Hand sanft ihren Arm berührte.
    »Was ist?« fragte er.
    »Es ist nur …« Sie lachte leise und müde auf. »Nichts bleibt, wie es mal war, stimmt’s? Und das ist gut so.« Sie wandte sich ab und ging die Treppe hinunter.
    Er war dicht neben ihr. Zu dicht. Zu intim.
Er droht in meine Welt, in mein Leben einzudringen,
dachte sie.
    »Sie heißen also Mariana mit Vornamen«, bemerkte er.
    »Man nennt mich M. J.«
    »Wofür steht das?«
    »Warum?«
    »Hören sie, ich will nicht neugierig erscheinen. Ich frage mich nur, was die Buchstaben bedeuten.«
    Sie trat auf die nächste Stufe und seufzte. »Mariana Josefina.«
    »Klingt bezaubernd. Paßt nur nicht recht zu Novak.«
    »Novak ist nicht mein Mädchenname.«
    »Oh. Ich wußte nicht, daß Sie verheiratet sind.«
    »War. Verheiratet war. Ich bin seit einem halben Jahr geschieden.«
    »Und sie haben den Namen Ihres Ex-Mannes beibehalten?« Er schien überrascht.
    »Nicht aus Zuneigung, er schien nur einfach besser zu

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