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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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zuckte er zusammen. »Dieses Wort mag ich nicht.«
    »Welches Wort?«
    »Opfer. So denke ich nicht über Mutter. Das klingt so schrecklich passiv und hilflos. Sie war das genaue Gegenteil davon.«
    »Dann darf ich mich anders ausdrücken. Hatten Sie Kontakt zu den Familien …«
    Stone unterbrach ihn. »Ja, zunächst stand ich in Verbindung mit ihnen – in einer Art Selbsthilfegruppe, die sich nach den Anschlägen getroffen hat.«
    »Waren alle Familien daran beteiligt?«
    »Eigentlich nicht. Der Sohn des Chirurgen in Williamstown ist ein-, zweimal erschienen und hat dann verkündet, dass er kein Interesse an einer Trauergruppe hat, weil er nicht trauert. Er hat sich über den Tod seines Vaters gefreut . Entsetzlicher Mensch. Unglaublich feindselig und verletzend.«
    Gurney warf Kim einen Blick zu.
    »Jimi Brewster«, ergänzte sie.
    »Ist das jetzt alles?«, fragte Stone.
    »Nur noch zwei kurze Sachen. Hat Ihre Mutter je erwähnt, dass sie Angst vor jemandem hatte?«
    »Nie. Sie war der furchtloseste Mensch, der je existiert hat.«
    »War Sharon Stone ihr richtiger Name?«
    »Ja und nein. Überwiegend ja. Ihr offizieller Name war Mary Sharon Stone. Nach dem Riesenerfolg von Basic Instinct entschloss sie sich zu einer Typveränderung – hat sich die Haare blond gefärbt, den Vornamen Mary fallen lassen und dieses bemerkenswerte neue Image gepflegt. Mutter war ein Image genie . Sie hatte sogar die Idee, Fotos von sich in kurzem Rock und mit gekreuzten Beinen auf Plakatwänden bringen zu lassen, wie man es aus der berühmten Filmszene kennt.«
    Gurney gab Kim zu verstehen, dass er keine Fragen mehr hatte.
    Mit einem verstörenden Lächeln fügte Stone hinzu: »Mutter hatte umwerfende Beine.«
    Eine Stunde später stoppte Gurney neben Kims Miata vor einer wenig einladenden Steuerberatungskanzlei in einem Einkaufszentrum: Bickers, Mellani and Flemm. Die Räume lagen zwischen einem Yogastudio und einem Reisebüro am Stadtrand von Middletown.
    Kim telefonierte von ihrem Wagen aus, bevor sie ausstieg. Er folgte ihr in die Kanzlei.
    Die Tür öffnete sich auf einen unscheinbaren Wartebereich mit mehreren ungleichen Stühlen an der Wand. Auf einem kleinen, schlichten Tischchen lagen zerlesene Exemplare von SmartMoney aus. Hinter einer hüfthohen Trennwand mitten durch den Raum standen zwei Schreibtische vor einer einzigen Tür, die geschlossen war. Oben auf der Trennwand prangte eine altmodische silberne Glocke mit Klingelknopf.
    Entschlossen klopfte Kim auf den Klingelknopf, der ein erstaunlich lautes Ping produzierte. Diesen Vorgang wiederholte sie eine halbe Minute später, erneut ohne Reaktion. Als sie gerade nach ihrem Handy greifen wollte, öffnete sich die Tür in der hinteren Wand. Der Mann auf der Schwelle war dünn und blass. Er wirkte müde. Ohne Neugier blickte er sie an.
    »Mr. Mellani?«
    »Ja.« Seine Stimme war trocken und farblos.
    »Ich bin Kim Corazon.«
    »Ja.«
    »Wir haben telefoniert. Ich bin hier, um Sie zu interviewen.«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Also …« Leicht verwirrt schaute sie sich um. »Wo möchten Sie …?«
    »Ach so, ja, Sie können in mein Büro kommen.« Er verschwand wieder nach drinnen.
    Gurney öffnete eine Schwingtür in der Trennwand und hielt sie Kim auf. Sie war genauso verstaubt wie die beiden unbesetzten Schreibtische dahinter. Er folgte ihr nach hinten ins Büro – einem fensterlosen Raum mit einem großen Mahagonitisch, vier einfachen Stühlen und Bücherschränken an drei von vier Wänden. Die Schränke waren voll mit dicken Bänden über Buchhaltungsrichtlinien und Steuergesetze. Auch auf den Büchern hatte sich der allgegenwärtige Staub niedergelassen. Die Luft roch abgestanden.
    Das einzige Licht kam von einer Schreibtischlampe am hinteren Ende des Tischs. An der Decke gab es eine Neonröhre, die aber nicht an war. Kim sah sich nach geeigneten Positionen für ihre Kameras um und fragte, ob man die Röhre einschalten konnte.
    Achselzuckend folgte Mellani ihrer Bitte. Nach zögerndem Aufblitzen stabilisierte sie sich mit leisem Sirren. Das Neonlicht betonte die Blässe seiner Haut und die Schatten unter seinen Augen. Er strahlte etwas entschieden Kadaverartiges aus.
    Wie schon in Stones Küche stellte Kim die Kameras auf. Als sie fertig war, nahmen sie und Gurney auf einer Seite des Mahagonitischs Platz, Mellani auf der anderen. Dann sprach sie beinahe wortgleich wie bei Stone einleitend über die erwünschten Faktoren Zwanglosigkeit, Schlichtheit, Natürlichkeit,

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