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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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die dafür sorgen sollten, dass das Interview möglichst große Ähnlichkeit mit einem offenen Gespräch zu Hause und unter Freunden hatte.
    Mellani erwiderte nichts.
    Sie forderte ihn auf, alles zu äußern, was ihm am Herzen lag.
    Er blieb ohne jede Reaktion und starrte sie bloß stumm an.
    Sie blickte sich in dem klaustrophobischen Raum um, dessen unwirtliche Ödheit von der Deckenlampe noch verstärkt worden war. »Gut …« Anscheinend dämmerte ihr allmählich, dass ein irgendwie geartetes Gespräch nur in Gang kommen würde, wenn sie etwas sagte. »Das ist also Ihr Hauptbüro?«
    Mellani schien zu überlegen. »Das einzige Büro.«
    »Und Ihre Gesellschafter? Sind sie … hier?«
    »Nein. Keine Gesellschafter.«
    »Ich dachte … die Namen … Bickers …«
    »Das war der Name der Kanzlei. Wir haben sie gemeinsam gegründet. Ich war der Seniorgesellschafter. Dann … trennten sich unsere Wege. Der Name der Kanzlei ist eingetragen … Rechtlich unabhängig davon, wer tatsächlich hier arbeitet. Ich hab nie die Energie aufgebracht, ihn ändern zu lassen.« Er redete langsam, als müsse er gegen die Sperrigkeit der Worte ankämpfen. »So wie manche Frauen nach der Scheidung den Ehenamen behalten. Keine Ahnung, warum ich das nicht ändern lasse. Eigentlich müsste ich.« Er schien nicht auf eine Antwort aus.
    Kims Lächeln wurde angestrengter, und sie bewegte sich unruhig auf ihrem Stuhl. »Noch eine schnelle Frage, bevor wir weitermachen. Darf ich Sie Paul nennen, oder soll ich lieber bei Mr. Mellani bleiben?«
    Nach mehreren Sekunden bleierner Stille entgegnete er fast unhörbar. »Paul ist in Ordnung.«
    »Also schön, Paul, dann wollen wir mal. Wie am Telefon besprochen, führen wir einfach eine schlichte Unterhaltung über Ihr Leben nach dem Tod Ihres Vaters. Ist Ihnen das recht?«
    Wieder brauchte er eine Weile. »Sicher.«
    »Super. Äh, wie lang sind Sie schon Steuerberater?«
    »Schon ewig.«
    »Ich meine, seit wie vielen Jahren genau?«
    »Jahren? Seit dem College. Ich bin jetzt … fünfundvierzig. Beim Abschluss war ich zweiundzwanzig. Fünfundvierzig minus zweiundzwanzig ergibt dreiundzwanzig Jahre als Steuerberater.« Er schloss die Augen.
    »Paul?«
    »Ja?«
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Er öffnete erst ein Auge, dann das andere. »Ich habe mich zu dieser Sache bereit erklärt, also mache ich es, aber ich möchte es hinter mich bringen. Das Ganze habe ich schon in der Therapie durchgekaut. Ich kann Ihnen die Antworten geben. Ich … hab bloß keine Lust auf die Fragen.« Er seufzte. »Ich erinnere mich an Ihren Brief … Wir haben telefoniert … Ich weiß, worauf es Ihnen ankommt. Das Davor und Danach, richtig? Okay, können Sie haben. Ich sag Ihnen, wie es damals war und wie es heute ist.« Wieder gab er ein leises Seufzen von sich.
    Gurney kam sich vor wie ein in der Tiefe gefangener Bergarbeiter, dem allmählich der Sauerstoff ausging – eine bruchstückhafte Erinnerung an einen Film, den er als Kind gesehen hatte.
    Kim runzelte die Stirn. »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    Mit schwerer Zunge wiederholte Mellani: »Das Ganze hab ich schon in der Therapie durchgekaut.«
    »Schön … Und deshalb …?«
    »Deshalb kann ich Ihnen die Antworten geben, ohne dass Sie die Fragen stellen. Besser für alle. Richtig?«
    »Klingt gut, Paul. Bitte legen Sie los.«
    Er deutete auf eine Kamera. »Läuft das Ding?«
    »Ja.«
    Wieder schloss Mellani die Augen. Als er endlich mit seinem Bericht begann, brach sich Kims Nervosität bereits in einem leichten Zucken um ihre Mundwinkel Bahn.
    »Ich war nicht unbedingt ein glücklicher Mensch vor … dem Ereignis. Ich war nie ein glücklicher Mensch. Aber es gab eine Zeit, da hatte ich noch Hoffnung. Ja, ich denke schon. Etwas in der Richtung von Hoffnung. Ein Gefühl, dass die Zukunft rosiger werden könnte. Doch nach … dem Ereignis … war dieses Gefühl für immer verschwunden. Die Farbe im Bild war erloschen und alles nur noch grau. Verstehen Sie? Keine Farbe mehr. Früher hatte ich die Energie, eine Kanzlei aufzubauen, etwas zu entwickeln .« Er sprach das Wort wie einen fremden Begriff aus. »Mandanten … Gesellschafter … Schwung. Mehr, besser, größer. Bis es passiert ist.« Er verstummte.
    »Es?«, soufflierte Kim.
    »Das Ereignis.« Er schlug die Augen auf. »Es war, als würde ich über eine Schwelle gestoßen. Nicht in einen Abgrund, nur …« Mit der Hand mimte er die Bewegung eines Autos, das die Kuppe eines Hügels erreicht und sich dann

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