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Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Gute Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Gute Nacht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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er zurückrief, war er nicht verpflichtet, sich zur Wahl dieser ungewöhnlichen Waffe zu äußern.
    Natürlich verstärkte diese neue Entwicklung Gurneys bereits vorhandene Sorge: dass Depressionen und der leichte Zugang zu einer Schusswaffe eine brisante Mischung darstellten. Doch mehr als eine Sorge wurde eben nicht daraus. Er hatte keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Paul Mellani eine Gefahr für sich oder andere darstellte. Der Steuerberater hatte nichts geäußert – keine aus psychologischer Sicht alamierenden Hinweise –, was eine Verständigung der Polizei von Middletown gerechtfertigt hätte. Mit den beiden Anrufversuchen war bereits alles unternommen worden, was in dieser Situation möglich und erforderlich war.
    Dennoch fand Gurney keine Ruhe. Er stellte sich vor, wie Kims Kontakte zu dem Mann vor dem Treffen am Samstag gelaufen sein mochten – der Brief und die Anrufe, in denen sie ihr Vorhaben erläuterte. Möglicherweise hatten ihn diese Dinge an den Tod seines Vaters und dessen offenkundige Gleichgültigkeit ihm gegenüber erinnert und ihm dadurch erneut die Leere seines Lebens und sein berufliches Scheitern vor Augen geführt.
    Plante er, hoffnungslos in einem Strudel der Depression versinkend, vielleicht schon das Ende? Oder war er womöglich bereits zur Tat geschritten? War das der Grund, warum nur die Mailbox erreichbar war?
    Und wenn Gurney völlig falsch lag? Wenn der Zweck der Desert Eagle nicht selbstmörderisch war, sondern mörderisch?
    Oder wenn das schon in der Vergangenheit so gewesen war? Und wenn …
    Verdammt! Und wenn. Und wenn. Und wenn. Der Mann besaß einen offiziellen Waffenschein. Es gab Millionen von deprimierten Menschen auf der Welt, die nicht im Entferntesten daran dachten, sich oder anderen Schaden zuzufügen. Sicher, die Marke der Schusswaffe warf Fragen auf, doch diese konnten gestellt und beantwortet werden, sobald Mellani zurückrief. Kein Grund zur Panik. Für seltsame Zufälle gab es meistens ganz banale Erklärungen.

30
    Showtime
    Als Gurney kurz nach zwei zu Hause ankam, war Madeleine nicht da. Ihr Auto parkte neben der Seitentür, das hieß, sie machte wahrscheinlich eine Wanderung auf einem der Waldwege, die von der Wiese abzweigten.
    Auf den letzten Kilometern der Fahrt war die Fixierung auf Mellanis Waffe allmählich abgeklungen – stattdessen ging ihm jetzt unentwegt Hardwicks alles entscheidende Frage durch den Kopf: Wenn hinter der Mordserie des Guten Hirten nicht die im Manifest erklärte psychopathische Mission steckte, was war dann das Motiv?
    Gurney holte Block und Stift und setzte sich an den Frühstückstisch. Dinge zu notieren war für ihn die beste Möglichkeit, um mentalen Stress abzubauen. In der nächsten Stunde skizzierte er die Anfänge einer Ermittlungsprämisse und eine kurze Liste von »vorläufigen« Fragen, aus denen sich vielversprechende Untersuchungsansätze ergeben konnten.
    PRÄMISSE
    Es bestehen unvereinbare Gegensätze in Denk- und Vorgehensweise zwischen der effizienten, roboterhaften Planung und Ausführung der Morde und der theatralischen, pseudobiblischen Argumentation im Manifest. Das Verhalten verrät die wahre Persönlichkeit. Intelligenz und Effizienz lassen sich nicht vortäuschen. Der Gegensatz zwischen der Handlungsweise des Killers und der zur Begründung dieser Handlungsweise angeführten psychopathischen Mission lässt darauf schließen, dass die Begründung falsch und berechnend ist und darauf abzielt, die Aufmerksamkeit von einem pragmatischen Motiv abzulenken.
    FRAGEN
    Warum wurden die Opfer ausgewählt, wenn nicht wegen ihrer angeblichen Gier?
    Was haben die ähnlichen Fahrzeuge zu bedeuten?
    Warum wurden die Morde in einem kurzen Zeitraum im Frühjahr 2000 begangen?
    War die Reihenfolge der Morde von Bedeutung?
    Waren sie alle gleich wichtig?
    Wurden die einen erst durch die anderen notwendig?
    Weshalb diese dramatische Waffe?
    Warum die kleinen Tierfiguren an den Tatorten?
    Welche Ermittlungsansätze wurden durch das Manifest im Keim erstickt?
    Gurney las das Geschriebene durch. Er wusste, dass das nur ein Anfang war und dass er nicht sofort mit einer bahnbrechenden Erkenntnis rechnen konnte. Aha-Momente waren nicht auf Abruf zu haben.
    Er beschloss, seine Liste Hardwick vorzulegen, um zu sehen, wie er reagierte. Und Holdenfield aus dem gleichen Grund. Er überlegte, ob er sie auch Kim geben sollte, doch er entschied sich dagegen. Sie verfolgte andere Ziele als er, und seine Fragen würden sie bloß wieder

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