Gute Nacht: Thriller (German Edition)
neunundfünfzig auf hundertachtzehn und zurück auf achtundfünfzig Kilo geschafft und sich damit eine mehrfache Bonusprämie verdient.
Während Gurney überlegte, ob Amerika ein Spezialpatent für Medienwahnsinn besaß oder ob die ganze Welt den Verstand verloren hatte, meldete sein Telefon eine SMS von Kim, der er entnahm, dass sie ihm die Bilddatei ihres Interviews mit Jimi Brewster geschickt hatte.
Ihr Name auf dem Display erinnerte ihn an ein anderes logistisches Detail. Er wandte sich Bullard zu, die gerade den Kellner heranwinkte, um zu bezahlen. »Ich nehme an, Sie wollen auch die Nachricht, die Kim Corazon vom Guten Hirten bekommen hat, im Labor in Albany untersuchen lassen. Was soll sie damit machen?«
»Wo ist sie jetzt?«
»In der Wohnung meines Sohnes in Manhattan.«
Sie zögerte kurz, als würde sie diese Information zur späteren Überprüfung abspeichern. »Sie soll die Nachricht zur Verbindungsstelle der State Police ins Präsidium des NYPD bringen. Wenn wir wieder drinnen sind, gebe ich Ihnen die nötigen Anweisungen.«
Gurney wollte das Handy schon wieder einstecken, da fiel ihm ein, dass Bullard sich für das Filminterview mit Brewster interessieren könnte.
»Ach übrigens, Lieutenant. Vor einiger Zeit hat Kim Jimi Brewster interviewt, eine der sogenannten Waisen. Das ist der …«
Sie nickte. »Der seinen Vater, den Chirurgen, gehasst hat. Hab von ihm gelesen in dem Haufen Hintergrundmaterial, mit dem Daker mich überschüttet hat.«
»Genau. Kim hat mir gerade eine Kopie des Interviews mit ihm geschickt. Wollen Sie auch eine?«
»Natürlich will ich eine. Können Sie sie mir gleich weiterleiten?«
Als sie in den Konferenzraum zurückkehrten, saßen Trout, Daker und Holdenfield bereits am Tisch. Obwohl Gurney und Bullard nur eine Minute Verspätung hatten, warf Trout einen verbissenen Blick auf seine Uhr.
»Werden Sie woanders gebraucht?« Gurneys lässiger Ton und leises Lächeln überspielten nur knapp ein gefährliches Maß an Feindseligkeit.
Trout schenkte sich die Antwort und blickte nicht einmal auf. Stattdessen suchte er mit einem Fingernagel nach Speiseresten zwischen den Schneidezähnen.
Unmittelbar nachdem Bullard und Gurney Platz genommen hatten, trat Clegg ein und legte seiner Vorgesetzten ein Blatt Papier hin, in das sie sich mit neugierigem Stirnrunzeln vertiefte. »Heißt das, Sie haben mit den Anrufen bei den Familien begonnen?«
»Zunächst nur Kontaktaufnahme«, erklärte Clegg. »Um rauszufinden, wer erreichbar ist und wer nicht. Wenn sich jemand meldet, teilen wir ihm mit, dass wir ihn innerhalb einer Stunde wegen wichtiger Informationen zu dem Fall anrufen. Wenn die Mailbox dran ist, bitten wir um Rückruf.«
Bullard nickte, während ihr Blick über das Blatt glitt. »Hier steht, Sie haben persönlich mit Ruth Blums Schwester gesprochen, die unterwegs von Oregon nach Aurora ist, außerdem mit Larry Sterne in Stone Ridge und mit Jimi Brewster in Turnwell. Was ist mit den anderen Leuten auf der Liste?«
»Bei Eric Stone, Roberta Rotker und Paul Mellani wurden Nachrichten mit der Bitte um Rückruf hinterlassen.«
»Haben wir auch E-Mail-Adressen von ihnen?«
»Ich glaube, Kim Corazon hat sie uns von allen Leuten auf ihrer Kontaktliste geschickt.«
»Dann senden Sie E-Mails an alle, die noch nicht erreicht wurden. Wenn sich jemand in der nächsten halben Stunde nicht meldet, probieren wir es erneut. Sagen Sie Carly, in fünfzehn Minuten will ich ihren Entwurf haben. Wenn auf die zweite Nachricht ebenfalls niemand reagiert, müssen wir eine Streife zur jeweiligen Adresse schicken.«
Nachdem Clegg aus dem Zimmer geeilt war, holte Bullard tief Atem und lehnte sich mit einem nachdenklichen Blick in Trouts Richtung zurück. »Kommen wir wieder auf die schwierigen Fragen zurück. Haben Sie eine Idee hinsichtlich des Motivs für den Mord an Ruth Blum?«
»Das hab ich schon gesagt. Sie müssen nur die Nachricht des Hirten lesen.«
»Die kann ich inzwischen auswendig.«
»Dann kennen Sie das Motiv so gut wie ich. Der Beginn der Mordwaisen auf RAM hat ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen und seiner Mission neues Leben eingehaucht.«
»Würden Sie dem zustimmen, Dr. Holdenfield?«
Rebecca nickte steif. »Im Großen und Ganzen ja. Ich würde eher davon sprechen, dass die Sendung seinen Hass wieder angefacht hat. Sie hat den Damm, der diese Emotionen in den letzten zehn Jahren zurückgehalten hat, brechen lassen. Der Zorn richtet sich nach wie vor gegen
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