Guten Morgen, meine Schoene
Familienstreit, und jeder ist zu stolz, um als Erster nachzugeben.«
»Ich weiß es nicht.« Dass der Fall bei ihm anders sei, konnte Sarah ihm schwerlich erzählen. »Vielleicht hat Chance deine Geduld zu sehr strapaziert.« Sie hoffte, es würde nicht zu ausweichend klingen. »Er war manchmal unberechenbar, meinte es aber nicht so, obgleich er seine Versprechen nicht immer hielt.«
»Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert«, zitierte Jed ein altes Sprichwort. »Möglicherweise war es ja umgekehrt, und er hatte zu wenig Geduld mit mir? Ich bin sicher kein Heiliger. Aber wie auch immer, ihr beide habt also geheiratet, und wo habt ihr dann gelebt?«
»Da in Vancouver die Mieten sehr hoch sind, zogen wir nach Quesnel und mieteten dort eine Wohnung. Er war ein guter Verkäufer und fand sofort wieder eine Stelle, und ich habe als Babysitter noch ein wenig dazuverdient.«
»Und wann fing er mit dem Wetten an?«
»Schon bald nach der Hochzeit. Kurz bevor wir uns kennen lernten, hatte er zu rauchen aufgehört und…« Sie sprach nicht weiter, da ihr jäh wieder die Bemerkung der Kassiererin einfiel, dass eine brennende Zigarette den Couchbrand ausgelöst habe.
Hatte Chance deshalb zu rauchen aufgehört?
»Und weiter?« fragte Jed.
»Nun ja, anfangs behauptete er, nicht mehr Geld für Wetten als früher für Zigaretten auszugeben, aber es dauerte nicht lange, bis er bei Pferderennen weit höhere Beträge einsetzte und verlor.«
»Wann hast du beschlossen, dich von ihm zu trennen?«
»Wenige Monate nach Jamies Geburt. Chance’ Wettfieber wurde immer schlimmer, und wir stritten uns oft, bis ich diese ständige finanzielle Unsicherheit nicht mehr ertrug.
Mir war klar, dass ich es allein mit zwei kleinen Kindern nicht einfach haben würde, aber zumindest konnte ich wieder Ruhe und eine gewisse Stabilität in unser Leben bringen.«
»Sarah…« Jed zögerte, ehe er fragte: »Hast du ihn da immer noch geliebt?«
»Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, ob ich ihn überhaupt jemals wirklich geliebt habe. Vielleicht war ich mehr in die Liebe als in ihn verliebt. Ich hatte noch nie einen richtigen Freund gehabt und fand es sehr schmeichelhaft, dass er ausgerechnet mich wollte.«
»Weil er älter war als du und erfahrener?«
»Das hat sicher auch eine Rolle gespielt. Er war ungeheuer charmant und viel aufregender und interessanter als die Jungs, mit denen ich sonst zu tun hatte. Wir hatten gar keine Zeit, uns richtig kennen zu lernen, da ich gleich in den ersten zwei Wochen schwanger wurde. Wir waren ein Liebespaar, aber keine…
Freunde. Heute weiß ich, dass es umgekehrt besser ist, ich meine, wenn sich aus Freundschaft allmählich Liebe entwickelt.«
»Wie bist du nach eurer Trennung zurechtgekommen?«
»Es war hart, aber allmählich ging es wieder aufwärts.
Jamie und Vicky, die weiterhin Kontakt zu ihrem Vater hatten, vermissten ihn sehr, und als er mich anflehte, zu uns zurückkehren zu dürfen, und schwor, von seiner Wettleidenschaft geheilt zu sein, war ich so naiv, ihm zu glauben.
Und auch so dumm, gleich wieder schwanger zu werden«, fügte sie trocken hinzu. »Natürlich freue ich mich auf das Baby, aber…«
»Aber die Schwangerschaft hat dein Leben nicht leichter gemacht«, ergänzte Jed. »Wann hast du von Chance’
Schulden erfahren?«
»Drei Monate nach seinem Tod. Izzio brauchte einige Zeit, um mich zu finden, da ich unseren Mietvertrag gekündigt hatte und zu dem befreundeten Ehepaar gezogen bin, das mir den Babysitterjob angeboten hatte. Als Izzio mich fand, hat er mich stark unter Druck gesetzt, und ich begann, Chance’ Schulden in geringen wöchentlichen Raten abzustottern. Doch nachdem ich letzte Woche Job und Wohnung verloren hatte, sagte ich ihm, dass ich nichts mehr zahlen könne, und daraufhin wurde ich von seinen Leuten massiv bedroht. Ich bekam Angst…«
»Und hast dich nach Morgan’s Hope geflüchtet. Verdammt, Sarah, ich wünschte, du hättest dich früher bei mir gemeldet.
Aber wenigstens bist du jetzt hier, Izzio wurde bezahlt, und du kannst mit der Vergangenheit abschließen.«
»Ich weiß nicht, wie ich dir jemals dafür danken kann.«
»Indem du mich ab jetzt zur Familie zählst«, sagte er mit einem warmen Lächeln. »Das ist mir Dank genug.« Er stand auf. »Ich lasse dich jetzt allein, damit du aufstehen und dich anziehen kannst. Später gehen wir dann alle gemeinsam zu meinem Atelier.«
Die Luft war kühl, aber es regnete nicht mehr, als Sarah,
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