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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hoeftmann
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zweifelhaft sein) steht Pink für Lautstärke und Dominanz. Ich muss sagen, ich passe mich Israel immer mehr an.
    Als ich vor einigen Monaten im Juli auf dem Flughafen Tegel landete und all die grünen Bäume und Büsche sah, freute ich mich umso mehr auf den vor mir liegenden Ostseeurlaub. Ich komme ja aus der ehemaligen DDR . Meine Geburtsurkunde zum Beispiel musste, damit ich in Israel ein Visum beantragen konnte, neu ausgestellt werden. »Sie sind ja in einem Land geboren, das es gar nicht mehr gibt«, kicherte die freundliche Dame vom Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten in der Berliner Friedrichstraße. Auch die Staatsdienerin, die mir mein Ehefähigkeitszeugnis (ja!) ausstellte, gluckste leise.
    In Israel kennt niemand den Terminus » DDR «. Hier heißt die Deutsche Demokratische Republik schlicht Ostdeutschland. Deswegen erregt so eine Geburtsurkunde, in der ein unbekanntes Geburtsland aufgeführt ist, durchaus Aufmerksamkeit in israelischen Ämtern. Wenn aber erst einmal klar ist, dass es sich um das andere Deutschland handelt, fallen schnell zwei Begriffe. Einer davon ist FKK . Ein typisches Vorurteil lautet, dass die Ostler ständig nackt sind. Ich muss sagen, es stimmt.
    Es gibt sehr viele Fotos, auf denen meine Eltern nackt (am Strand) sind. Und der diesjährige Sommerurlaub auf Rügen besiegelte, dass sich trotz Mauerfall nichts geändert hatte im Osten der Republik. In Israel ist das anders. An den Stränden hier ist es absolut verpönt, auch nur oben ohne zu gehen. Zumindest für Frauen. Männer hingegen lieben es oben ohne. Leider nicht nur am Strand. In den Sommermonaten sehe ich haufenweise Herren durch die Straßen laufen, die scheinbar ihre Oberhemden verloren haben. Nicht alle sehen so aus, als ob sie zum Strand wollten. Manche scheinen gerade zur Arbeit oder zum Zahnarzt zu gehen, oft tragen sie Aktenkoffer.
    Vorreiter der halb nackten Männerfront sind übrigens interessanterweise die französischen Touristen. Es heißt ja immer, der französische Stil und so weiter. Das kann ich nicht bestätigen. Ich habe in diesem Sommer in Tel Aviv mehr nackte französische Hühnerbrüste gesehen, als mir lieb war.
    Auch in meiner Schwiegerfamilie mag Mann es oben luftig. Der Vater meines wunderbaren Lebensgefährten trug praktisch den gesamten Sommer nichts außer seiner Oberarm-Rottweiler-Tätowierung. Mein wunderbarer Lebensbegleiter selbst genießt ebenfalls die regelmäßige Brust-Zurschaustellung. Gerne auch mal bei Tisch. In meiner Familie ist es absolut verpönt, leicht bekleidet zu speisen. Wir mögen vielleicht FKK -Ossis sein, aber nicht bei Tisch. Deswegen war es umso schockierender, als mein Vater, zu Besuch im Heiligen Land, plötzlich allmorgendlich am Frühstückstisch blank zog.
    Israel verändert einen. Doch zurück ins FKK -Deutschland. Ich saß also im besagten Juli nach Landung in Tegel im Zug von Berlin nach Binz. Die deutsche Bahn gondelte durch Wiesen und Wälder. Alles war wunderbar grün und ruhig. Hoffnungsvoll. Doch dann passierten wir Anklam, und die Dinge änderten sich schlagartig. In einem kleinen Dorf kurz nach der Hansestadt sah ich, wie ein Mann, nur mit Warnweste und Schlüpfer bekleidet, die Bahnschranke verschloss. Er trug nicht einmal Boxershorts. Er trug einen Schlüpfer. Unten ohne, oben ohne – wo ist da der Unterschied? Bei genauerem Hinschauen: Schimmerte seine Warnweste in der Sonne nicht pink? Vielleicht sind sich Israelis und Ostler näher, als man denkt.

Die Spezies Ars
    Der amerikanische Komiker Jackie Mason sagte einmal, dass die Israelis für ihn wie Mexikaner aussehen und agieren. Der Vergleich hinkt ein bisschen, immerhin sind wir im Nahen Osten. Gewisse Verhaltensähnlichkeiten lassen sich aber nicht von der Hand weisen. Der König der mexikanischen Israelis ist der Ars.
    Ars ist das hiesige Wort für Prolet. Der gemeine Ars hat dunkle Haare und braune Haut. Seine Eltern sind aus Ländern wie Marokko, Tunesien, Jemen, Ägypten oder dem Irak nach Israel eingewandert. Er sucht noch lieber als andere Israelis die direkte Konfrontation (und das soll was heißen) und ist noch rüpelhafter als seine Landsleute. Der prototypische Ars trägt goldene Halsketten (gerne mit dem hebräischen Buchstaben »Chet«, der für »Chaim«, Leben, steht) und enge T-Shirts mit großflächigem Aufdruck. Die Jeanshosen des Ars’ sitzen tief, oftmals zu tief. Der durchschnittliche Ars verdient nicht sehr gut, kann dafür aber mit viel Temperament aufwarten.

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