Guten Morgen, Tel Aviv
Auf den Straßen sieht man ihn rauchend und fluchend mit seinen Brüdern oder Cousins im Ars-Mobil (am liebsten Marke Bayerische Motoren Werke).
Das Wort »Ars« kommt übrigens ursprünglich aus dem Arabischen und bedeutet dort »Zuhälter«. Obwohl der gemeine Ars viele unübersehbare, geradezu ins Auge springende Ähnlichkeiten mit seinen arabischen Nachbarn hat, kennzeichnet ihn in der Regel eine heftig ausgeprägte Abneigung gegen Araber aller Art. Doch wie auch der arabische Israeli grillt der Ars gerne im Park oder am Strand (das Ganze nennt sich »Mangal«) und hört dabei Sinnesorgan schädigende laute Musik. Diese klingt für das ungeübte deutsche Ohr wie arabische Popmusik. De facto handelt es sich jedoch um hebräische Popmusik, die von israelischen Ars-Sängern im orientalisch-leidenden Stil vorgetragen wird.
Der Ars lässt sich ungern in Kleidervorschriften pressen und trägt deshalb seinen haarigen Bauch am liebsten blank. Generell hält er nicht viel von Regeln und Formen und erzählt daher auch dann weiter, wenn er den Mund voll hat. Dies ermöglicht Interessierten einen guten Einblick in das arsige Nahrungsspektrum, das sich aus den Grundbestandteilen Kebab, Schawarma, Fleischspießen und Pitabrot zusammensetzt. Der gemeine Ars hört auf Namen wie »Dudu«, »Schimon«, »Chaim« oder »Avichai«. Seine Ballungszentren liegen in israelischen Kleinstädten wie Netanya, Holon oder Tirat Carmel. Da meine Schwiegerfamilie zufälligerweise in letztgenannter lebt, habe ich oft die Gelegenheit, den Ars in seiner natürlichen Umgebung zu beobachten.
Aber auch in Tel Aviv kann man den gelegentlich archaisch anmutenden Zeitgenossen finden. Dazu genügt ein Gang auf den Markt, wo der Ars (meist mittleren Alters) in lauernder Position an seinem Warentisch auf harmlose Touristen wartet. In der Zwischenzeit unterhält er sich zum Zeitvertreib gerne lautstark mit seinen Ars-Kollegen vom 30 Meter entfernten Stand. Diese Entfernung ist wichtig, da es sonst bei einer Meinungsverschiedenheit in Sekundenschnelle zum Ars-Kampf kommt. Anlass für einen solchen kann beispielsweise sein, dass ein Ars die Frau des anderen angesehen hat.
Apropos: Die Frau des gemeinen Ars’ nennt man übrigens »Frecha«. Sie ist erkennbar an künstlichen Fingernägeln, Glitzershirts und gefärbten Haaren. Aber das ist ein anderes Thema.
Königreich der Kühlschränke
Neulich entdeckte ich im Wohnzimmer meiner Schwiegereltern in spe einen Kühlschrank. Ich war bereits jahrelang im Haus ein- und ausgegangen, bevor ich das sperrige Ding mitten im Wohnbereich bemerkte. Das mag an sich schon seltsam anmuten, ein Kühlschrank im Wohnzimmer, noch absurder wird das Ganze aber, wenn man bedenkt, dass meine Schwiegermutter noch einen kinderzimmergroßen Kühlschrank in der Küche und einen im Wintergarten in Benutzung hat. Auf meine erstaunte Frage, wofür denn der dritte Kühlschrank im Wohnzimmer sei, antwortete mein wunderbarer Lebensgefährte: »Ach der, der ist nur fürs Fleisch.«
Israelis scheinen kontinuierlich von der Furcht vor dem Verhungern getrieben zu sein. In den Supermärkten sehe ich, wie zierliche Frauen mit zwei gefüllten Einkaufswagen auf die Kassen zustürmen. Es gibt hier Milchpackungen, die sind so groß wie bei uns Weichspüler, und das Katzenfutter, das ich hin und wieder kaufe, könnte in Deutschland locker als Ein-Mann-Zelt durchgehen. Nun könnte man argumentieren, dass die durchschnittliche israelische Familie mehr Kinder hat als die deutsche. Ich glaube, daran liegt es nicht.
Meine Schwiegereltern zum Beispiel leben bereits seit geraumer Zeit alleine. Trotzdem decken wir uns bei jedem Wochenendbesuch mit Lebensmitteln ein wie sonst nur im Discounter. Wie von Zauberhand holt die Hausherrin die Waren, von Waschmittel bis Nutella-Gläser, aus allen Ecken des Hauses. Die Wohnung muss über und über mit Gütern gefüllt sein. So scheint es auch nur eine natürliche Konsequenz, dass alle immer Hunger haben. Das Zeug muss ja irgendwie aufgebraucht werden. Mein wunderbarer Lebensgefährte zum Beispiel muss alle zwei bis drei Stunden Nahrung zu sich nehmen. Als ich vor einiger Zeit Israelis in Berlin interviewte, sagten mir alle, am meisten fehle ihnen das heimatliche Essen. Wenn wir bei der Familie zu Besuch sind, ist immer die erste Frage, ob wir Hunger hätten.
Wir müssen doch Hunger haben, schließlich haben wir anderthalb Stunden im Auto gesessen. Sowieso müssen alle immer Hunger haben. Und wenn es was zu
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