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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hoeftmann
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erlernen. Ein Beispiel: Im Hebräischen gibt es keinen klassischen Imperativ. Die Befehlsform wird vielmehr durch die Zukunftsform ausgedrückt. »Lern die Sprache« wäre also »Du wirst die Sprache lernen«. Hier präsentiert sich eine ganz andere Entschlossenheit als im ordinären Befehl. Anders als der Deutsche, der nur auffordert, etwas zu tun, geht der Israeli von Anfang an davon aus, dass der andere tun wird, was man will. Eine Kulturlektion. Israelis mögen nicht sensibel sein, aber dabei sind sie sehr überzeugend.

Die Synagoge
    Israelis gehen nicht gerne spazieren. Jogging ist beliebt. Walking auch. Aber der klassische Spaziergänger mit im Rücken verschränkten Händen und schweifendem Blick begegnet einem hier nicht. In meiner Familie lieben wir Spaziergänge. Nach dem Essen, vor dem Essen und dazwischen. Ein Albtraum für meinen israelischen Lebensfreund. Wenn meine Eltern voller Tatendrang auf den Tisch klopfen, auf das schöne Wetter hinweisen und vom Stuhl aufspringen, dann schaut unser Import-Familienmitglied nur wehleidig in Richtung Stubensofa.
    Es gibt allerdings einen Tag im Jahr, da sind die Israelis wie ausgewechselt: Fröhlich schwatzend findet man sie dann auf den hiesigen Straßen. Kilometer um Kilometer laufen sie bergauf, bergab. Dieser Tag ist Jom Kippur. Der höchste Feiertag in der jüdischen Religion. Der Versöhnungstag.
    Am höchsten Feiertag in Deutschland hängt man funkelnde Anhänger an schöne Tannen. Man sackt Geschenke ein und rollt sich vollgefressen von einem Sessel zum anderen. Am höchsten Feiertag in Israel darf man 25 Stunden lang nichts essen oder trinken. Sich waschen oder fernsehen ist ebenso verboten. Auto fahren sowieso. Eigentlich ist alles verboten. Es wie ein Extrem-Sabbat, an den sich, im Gegensatz zum normalen Sabbat, ziemlich viele Israelis halten. Das Einzige, was bleibt, ist also spazieren gehen.
    Und so machten sich auch meine Schwiegerfamilie und ich auf den Weg. Mein Lieblingsmann wollte in diesem Jahr unbedingt in die Synagoge. Nun muss man dazu sagen, dass meine Schwiegerfamilie zwar traditionell, aber wahrlich nicht religiös ist. Das bedeutet: fasten ja, beten nein. Die Begeisterung hielt sich also in Grenzen. Aber da Jom Kippur nun wirklich kein Tag zum Streiten ist, suchten wir auf unserem Spaziergang nach einer passenden Betstätte für meinen Liebsten. Nun könnte man ja glauben, Synagoge sei Synagoge, aber so einfach ist das natürlich nicht. Denn jede Synagoge hat ihren eigenen Stil. »In die Synagoge gehen nur die Marokkaner.« – »Ich will aber nicht in die irakische Synagoge.« »Vielleicht können wir zu den Äthiopiern.« – »Nein, ich bevorzuge die orthodoxe Art zu beten.«
    Schließlich enterten wir einfach die Erste, an der wir vorbeikamen. Wir Frauen setzten uns, wie in den meisten Synagogen üblich, hinter eine Spitzengardine, die uns von den Männern trennte. Im vorderen Bereich des Saals standen mein wunderbarer Freund und sein Bruder etwas verloren zwischen den eingefleischten Gläubigen herum. Als Einzige hatten sie keinen Gebetsschal, Tallit, dabei und trugen keine weißen Hemden. Sie sahen ein bisschen aus wie zwei Giraffen, die sich in eine Nashornherde verirrt hatten. Daher beschloss meine Schwiegermama, schnell noch einmal nach Hause zu flitzen, um die passende Gebetsausrüstung zu holen. Diese Gelegenheit nutzen auch meine beiden Schwägerinnen, um das Gotteshaus zu verlassen und stattdessen draußen auf der Bank zu klönen.
    Nur kurz danach sah ich, wie mein Schwager ebenfalls aus der vorderen Tür hinausschlüpfte. Wenige Minuten später folgte ihm dann meine bessere Hälfte. Als ich nun also die Einzige der Familie war, die noch auf den Holzbänken das Gebetbuch hochhielt, verschwand auch ich. Draußen war die Familie sich einig, dass diese Synagoge nun wirklich langweilig gewesen sei. Wir zogen also weiter. Die nächste Station war die Chabad-Gemeinde. Die ist allerdings neu in der Kleinstadt der Schwiegereltern und deswegen provisorisch in einem Bunker untergebracht. Unter der Erde ließ es sich aber, Religion hin oder her, ohne Klimaanlage nun gar nicht aushalten. Abgesehen davon, dass die Frauen wohl aus Platzmangel in eine Art Abstellkammer abgeschoben wurden.
    Wir also wieder nichts wie weg. Mein wunderbarerer Lebensbegleiter neben mir war höchst unzufrieden. Auch der dritte Synagogen-Versuch änderte daran nichts. Es war, wie es war, keine Synagoge entsprach seinem Stil. Er mag es nämlich, seitdem er in

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