Guten Morgen, Tel Aviv
Berlin war, aschkenasisch. Also eher europäisch. In seiner Heimatstadt gibt es aber vor allem orientalische Juden, weswegen die Synagogen natürlich dementsprechend ausgerichtet sind.
20 Stunden und einen Jom Kippur später nahm uns ein Freund der Familie in seinem Auto nach Tel Aviv mit. Wir fuhren in einer schwarzen Riesen-Limousine, die sich selbst ein- und ausparkte. Es gab Fernsehen und eine Massagefunktion auf den Vordersitzen. Mitten auf der Autobahn schauten wir eine Musik- DVD von Sting. Mein wunderbarer Lebensgefährte drückte begeistert auf alle Knöpfe. Er lachte und sah sehr glücklich aus. Ich glaube, es sollte wohl mehr Synagogen mit Massagefunktion geben.
Modeerscheinung
Als ich vor einigen Jahren das erste Mal meinen wunderbaren Lebensgefährten in seiner Heimat besuchte, dachte ich, alle Israelis arbeiten in Gärtnereien. Oder sind gerade auf dem Weg in ihr Haus mit Baumschule oder leben zumindest im Kibbuz. Das lag daran, dass fast alle Männer und Frauen Kunststoffschuhe der Marke Crocs (oder einer israelischen Kopie) trugen. Ich spreche von den knallig bunten, hinten offenen Schuhen mit leicht erhöhter Ferse und einem Halteriemen am Hacken. Als mir klar wurde, dass ein Drogeriefachverkäufer in Tel Aviv mit diesen Schuhen nicht ins Grüne will, war ich entsetzt.
Seitdem habe ich verstanden, dass Mode in Israel ein schwieriges Thema ist. Besonders Schuhe scheinen ein Problem für das hebräische Volk zu sein. Wenn die Frauen nicht in Gummischuhen steckten, trugen sie früher Plateauschuhe, und das 15 Jahre nach den Neunzigern. Die hübschesten, zierlichsten Mädchen steckten ihre zarten Füße in die hässlichsten, klobigsten, unförmigsten Botten. Denn ihre Plateauschuhe waren nicht solche mit schickem Keilabsatz, die Schuhe, von denen ich spreche, hatten eine durchgehende, circa fünf bis zehn Zentimeter dicke Sohle.
Und so walzte das weibliche Volk auf Autoreifen durch israelische Straßen, während die Männer fast alle Turnschuhe anhatten. Ich finde, dagegen ist ja nichts einzuwenden, ab und zu oder wenn man zum Joggen will. Aber israelische Männer treiben das mit dem legeren Stil etwas zu weit. Die Israelis, die man im deutschen Fernsehen sieht, tragen immer Uniformen oder Anzüge. Das ist ein großes Täuschungsmanöver. Israelis tragen nämlich gar keine Anzüge. Weder bei Hochzeiten (abgesehen von vielleicht dem Bräutigam, der aber dann äußerst selten auch noch eine Krawatte umgebunden hat) noch bei Beerdigungen. Selbst an der Börse in Tel Avivs Ahad-Haam-Straße oder in den Chefetagen großer Unternehmen sieht man nur Männer in Jeans und T-Shirt herumlaufen.
Außerdem mögen israelische Männer Kleidungsstücke, auf denen Drachen Feuer speien. Als ich meinen wunderbaren Lebensgefährten kennenlernte, trug er eine Flammen-Badehose. Was genau will man denn mit einer Flammen-Badehose sagen? Ich habe viele Jahre darüber nachgedacht, und heute weiß ich, er wollte gar nichts aussagen, er fand es einfach cool.
Die schicksten Israelis sind eigentlich die orthodoxen Juden. Immerhin tragen sie ausschließlich schwarze Anzüge und tolle Hüte. Manche jüdisch-orthodoxe Strömungen kleiden sich auch in eine Art schwarzen Satinmorgenmantel. Ungewöhnlich, aber hat was. Und die Pelzhüte sind ja sowieso einzigartig (natürlich fände ich es als Tierfreund noch besser, wenn es sich dabei um falsches Fell handeln würde). Vom Knie an geht es dann jedoch abwärts. Oft sind die Hosen der orthodoxen Männer zu kurz und wiederum die Schuhe ein Problem, weil hässlich, altmodisch und ausgelatscht. Aber wenigstens kann man bei den Orthodoxen anhand der Kleidung einschätzen, mit wem man es zu tun hat.
Bei dem Rest der säkularen Israelis ist das unmöglich. Eine Mittvierzigerin mit bauchfreiem Top und hautengen Jeans könnte gut und gerne in meiner Bank arbeiten. Eine junge Frau in langweiligem schwarzem Kellnerinnen-Kleid bei einer Modezeitschrift. Und ich erinnere mich noch an den Moment, als ich das erste Mal P., einen Freund von mir traf. Er saß auf seiner kleinen Terrasse mit blonden, kinnlangen, strähnigen Haaren wie eine Reinkarnation von Kurt Cobain und rauchte einen Joint. Seine Jeans waren zerrissen und sein T-Shirt irgendeiner Rockband gewidmet. Als ich ihn fragte, was er denn eigentlich beruflich mache, antwortete er: »Ich bin Anwalt.« In Deutschland tragen selbst Jurastudenten schon einen Einheitslook aus blauweißen Hemden und Poloshirts mit aufgestelltem Kragen (das ist
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