Guten Morgen, Tel Aviv
verwunderten Blick. Was soll ich sagen. Es gab sonst nichts zu besprechen, die Deutschen mochten die Hitze auf Zeit. Dabei war das Wetter immer mein Lieblingsthema gewesen. Ein leichter Einstieg in ein freundliches Gespräch. Doch inzwischen graupelt und frostet es in Deutschland wieder, und man muss Autoscheiben kratzen, während hier immer noch Hochsommer ist.
Der Wetterzug ist abgefahren für mich. Das Thema hat sich erledigt. Small Talk werde ich nun wie jeder Israeli nur noch übers Essen führen oder ganz sein lassen. Vielleicht sollte ich mir eine Freizeitbeschäftigung zulegen, die man bei jedem Wetter machen kann. Und jetzt kommen Sie mir bloß nicht mit Hobby Meteorologie.
Die israelische Frau
Neulich sah ich am Bahnhof in Tel Aviv zwei junge Mädchen mit langen, vollen Haaren und Maschinengewehren. Die beiden knapp 20-Jährigen leisten ihren Militärdienst in einer Infanterie-Einheit ab. Dort bringen sie meist männlichen Soldaten bei, Raketen zu schießen, Waffen zu bedienen oder einen Panzer zu fahren. Die Mädels waren ausgesprochen hübsch und zierlich. Sie hätten auch gut und gerne als 16-Jährige durchgehen können. Während ich mit ihnen sprach, kicherten sie aufgeregt und albern. Nichts schien mir absurder, als dass diese beiden Teenager männlichen Soldaten Panzer oder Maschinengewehre erklärten.
Die israelische Frau ist ein Enigma. Sie ist schön und stark. Anspruchsvoll und feminin. Sie sagt, wo es langgeht, vor allem ihrem Mann. Sie ist ein weiblicher Macho in einem Land, das von einer männlichen Machokultur geprägt ist. Sie ist Mutter und Geschäftsfrau. Köchin und Model. Sexy und kritisch. Albern und aggressiv. Zickig und anschmiegsam. Dominant und lustig. Sie strotzt vor Kraft und Charisma, je älter sie wird. Und vor allem ist sie klug. Da überrascht es nicht, dass das israelische Außenministerium immer wieder Anfragen von arabischen Scheichs erhält, die gerne eine solch »schöne und kluge israelische Frau erwerben würden«, wie die israelische Zeitung Jediot Aharonot vor einiger Zeit berichtete.
Israelische Frauen sind einzigartig. Während ihre Geschlechtsgenossinnen auf der ganzen Welt damit kämpfen, stark und gleichzeitig feminin, Karrierefrau und gleichzeitig Mutter und Ehefrau zu sein, scheinen sie diesen Spagat der Rollen mit Leichtigkeit zu schaffen. Sie bekommen mehr Kinder als die Frauen in allen anderen Industrienationen, obwohl sie drei Monate nach der Geburt schon wieder arbeiten gehen müssen und es eine schlechtere Infrastruktur an Kindergärten gibt als beispielsweise in Deutschland. Aber auch in Israel stößt die Frau an ihre Grenzen. Diese sind hier ultraorthodoxer Art.
Im ultraorthodoxen Judentum dankt der Mann jeden Morgen Gott, dass er ihn nicht als Frau erschaffen hat. In der hyperreligiösen Welt sollen Frauen in Bussen hinten, getrennt von den Männern, sitzen. In orthodoxen Synagogen tun sie dieses seit jeher. An der Klagemauer sind sie in eine kleine Ecke der langen Wand verbannt, von den Herren der Schöpfung getrennt. Auch dort dürfen sie manche Gebete nicht beten, weil sie Männern vorbehalten sind. Außerdem verweigern orthodoxe Männer ihren Frauen immer wieder die Scheidung. Während die Männer in diesem Zustand Kinder zeugen können, die weiterhin als Juden anerkannt sind, können Frauen zwar Kinder bekommen, aber diese gelten dann als »Mamser« (zu Deutsch ungefähr Bastarde) und dürfen keine Juden heiraten. Zumindest nicht vor dem orthodoxen Rabbinat. Und da die rabbinischen Gerichte in Israel ausschließlich von orthodoxen Männern besetzt sind, werden Frauen von ihnen oft benachteiligt, obwohl der Staat hundertprozentige Gleichberechtigung verspricht.
Aber so schwarz und weiß ist es auch bei den Ultraorthodoxen nicht. Mädchen bekommen hier nämlich oft eine bessere Ausbildung. Und mehr orthodoxe Frauen als Männer gehen arbeiten und verdienen das Geld für die Familie. Es mag aus den falschen Gründen sein (das Höchste für einen ultraorthodoxen Juden ist das ganztägige Studium der Thora, und das ist Männern vorbehalten), aber es ändert nichts an der Konsequenz. Ultraorthodoxe Frauen sind aus weltlich-westlicher Sicht oft gleichberechtigter und besser in die arbeitende Gesellschaft integriert als ultraorthodoxe Männer und leider auch arabisch-israelische Frauen. Die Zahl der nicht arbeitenden arabisch-israelischen Frauen ist nämlich die höchste im Land. Woran es liegt, weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber mehr als 70
Weitere Kostenlose Bücher