Guten Morgen, Tel Aviv
Japaner absolut unpolitisch sind. Es ist ihnen relativ egal, wer an der Macht ist. Auch scheren sie sich nicht darum, was die Machtinhaber tun. Darüber diskutiert wird schon gar nicht. Niemanden interessieren die politischen Scharmützel von irgendwem. Der letzte japanische Ministerpräsident besuchte Israel 2006. Davor war er elf Jahre nicht im Heiligen Land. Elf Jahre.
Davon kann man als Deutscher ja nur träumen. Stattdessen führen alle Gespräche mit Freunden auf unserer Terrasse früher oder später zur Politik. Palästinenser, Israel, USA , Iran, wer mit wem warum. Auch die Gespräche am israelischen Unabhängigkeitstag am Strand beschwipst mit Bier. Und auch das Plaudern beim Pärchenabend im schnieken Restaurant artet unvermeidlich in eine Rechts-Links-Israel-Diskussion aus. Ich muss sagen, ich bin erschöpft. In Deutschland habe ich mich noch außerordentlich für Politik interessiert. Ich habe über Politik geschrieben, gelesen und gesprochen. Ich dachte, es könnte nichts Interessanteres geben, als die großen politischen Zusammenhänge zu beleuchten und verstehen. Israel hat aus mir einen neuen Menschen gemacht. Die ganze Politik hängt mir zum Hals raus. Während ich früher bei unqualifizierten politischen Kommentaren sofort engagiert in die Bresche gesprungen bin, lächle ich heute nur noch milde. So muss Helmut Kohl sich fühlen.
Oder Angela Merkel. Auch sie mischt sich ja nur noch ungern ein. Vielleicht ist sie mittlerweile auch politikverdrossen von all ihren Israel-Besuchen. Immerhin hat sie, wie ich gerade online lese, immer noch eine starke Meinung zu den israelischen Siedlungen, die sollen nämlich … Oh, Moment. Da hinten klettert gerade ein Eichhörnchen den Baum hoch.
Mit ganz speziellem Dank an B. Ho.
Golocaust
Bei einem meiner ersten Israel-Besuche versuchte ich, einen Gasherd zu benutzen. Ich hatte damit keinerlei Erfahrung, weswegen das Gas erst einmal sekundenlang ausströmte, bevor ich es hinbekam, eine Flamme zu entzünden. Der Mitbewohner meines wunderbaren Lebensgefährten kam in die Küche und schrie: »Die Deutschen vergasen uns wieder.«
In Israel sind solche derben Scherze üblich. Hier singen in Comedy-Sendungen schon mal Anne Frank und Adolf Hitler »I got you Babe« zusammen. Der israelische Komiker Gil Kopatch formuliert es so: »Nicht unsere Witze sind geschmacklos, euer Faschismus war es.«
Ich glaube, die Israelis haben mich langsam damit angesteckt. Sollte ich im Folgenden also die Gefühle der andächtigen Deutschen, der politisch-korrekten, verletzen, so möchte ich mich bereits im Vorhinein dafür entschuldigen.
Russische Juden in Israel können angeblich kein »H« aussprechen. Deswegen heißt der Begründer dieses fantastischen Staates bei ihnen nicht Theodor Herzl, sondern Theodor Gerzl. Damit verfügen sie über eine Fähigkeit, von der wir Deutschen nur träumen können. Hätten wir ähnliche sprachliche Möglichkeiten, würde aus Adolf Hitler problemlos Adolf Gitler. Den Herrn Gitler kann niemand schlimm finden. Hitler dagegen. Das steht für deutschen Wahn, Massenvernichtung und Mörder. Gitler steht für nichts. Herr Adolf Gitler könnte einfach ein verstorbener, netter, älterer, schrulliger Herr sein. Deutschlands Probleme wären mit einem Schlag gelöst.
Die Deutschen sind das Tätervolk. Zumindest sieht der Großteil der Welt das gerne so, vor allem dann, wenn es passt. Die Briten zum Beispiel nutzen jeden Aufhänger, um » NAZI GERMANY « in großen Lettern auf die Titelseiten ihrer Boulevardzeitungen zu pappen. Auf Deutschland ruht ein besonderes Augenmerk. Wir sind der Welt auch heute noch ein wenig unheimlich, deswegen guckt sie bei uns lieber ganz genau hin. Die Deutschen selbst sehen sich als Gegenentwurf zu ihrem schlechten Ruf. Sind sie doch in den letzten Jahren über-philo-multikulti, allzu besorgt um ausgewählte, von Unmenschlichkeit bedrohte Gruppen, und finden, dass sie jetzt aber auch mal wieder ein bisschen stolz auf ihr Land sein können. Nur zur WM natürlich. Denn da treten wir immerhin mit unserem erfolgreichen Migrantentrupp in Erscheinung, was uns über jeden Verdacht erhaben macht. Trotzdem und gerade deswegen, nichts ärgert die »neuen« Deutschen mehr als dieser olle Holocaust. Der hängt im Nacken. Auch dann, wenn Sami und Mesut sich schon längst mit Basti den Ball zuspielen.
Man könnte mir an dieser Stelle Polemik vorwerfen. Aber meine eigenen Erfahrungen mit meinem eigenen persönlichen Israeli in Berlin haben mir
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