Guten Morgen, Tel Aviv
aus Deutschland, sagte sie mir. Weihnachten, die Stimmung, die Kälte. Aber vor allem fehle ihr die Ordnung.
Nun war ich also nach Bethlehem gefahren, in die Geburtsstätte von Jesus und damit auch Weihnachten. Und was fand ich? Eine christlich-palästinensische Ministerin, der die deutsche Ordnung fehlt. Immerhin eine Seelenverwandte. Als ich die Stadt verließ, hörte ich wie von weither Brother Louis krächzen. Vielleicht rappte er auch gerade seinen neuesten Anti-Weihnachts-Song. An die Mauer, die Israel vom zukünftigen Palästina trennt, hatte jemand in grün-roter Farbe Weihnachtsbäume und »Merry Christmas from Bethlehem Ghetto« gesprayt. Ich machte mich auf den Weg zum leeren Checkpoint, wo mir gleich Gott begegnen würde. Zurück im Bus nach Tel Aviv sang Barbara Streisand »Woman in love«. Aber wen wunderte das noch.
Land der unbegrenzten Sonderangebote
Israelis lieben Dealim.
Dealim ist der hebräische Plural für das englische Wort »Deal«. Das moderne Hebräisch, auch Iwrit genannt, wurde ja erst Ende des 19. Jahrhunderts so richtig entwickelt. Vorher war Hebräisch so tot wie Latein und lediglich in der Bibel zu finden. Erst die Zionisten belebten die heilige Sprache wieder, um eine Landessprache für den noch zu gründenden Staat zu haben. Es gibt deswegen viele, gerade moderne Wörter, die aus anderen Sprachen entlehnt sind. Dazu gehören auch Schluck, Kiosk, Zimmerim (Mehrzahl von Zimmer) und eben die Dealim.
Als Israel gegründet wurde, war es so etwas wie die DDR . Es gab den Sozialismus und Kibbuzniks, die alle für eine gemeinsame Kasse arbeiteten und in großen Speisesälen aßen. Vielleicht sagten sie sogar »Mahlzeit«, wenn sie die Kantine betraten, in jedem Fall spielte Konsum keine Rolle, es galt ein Land aufzubauen. Doch inzwischen ist Israel eher wie die USA , und das merkte ich vor einigen Tagen. Kurz vor meinem Weihnachtsflug nach Deutschland geriet ich in eine Horde dealim-wütender Israelis. Dabei wollte ich nur kurz in den Duty-free-Shop, um eine Flasche israelischen Wein für die Feiertage zu kaufen. Ich hätte es besser wissen müssen.
In dem 200 Quadratmeter großen Laden befanden sich gefühlt 500000 Hebräer auf der Suche nach Dealim. Viele hatten gleich mehrere Einkaufswagen in Beschlag genommen, die sie mit Spirituosen, Schokolade oder Kosmetik vollstopften. Während ich mich zur Weinabteilung durchkämpfte, sah ich eine Gruppe Orthodoxer zwischen den Wodka-Angeboten rumwühlen. Wie immer, wenn mehr als zwei Israelis zusammenkommen, überstieg der Lärmpegel locker die 100-Dezibel-Marke. Zerzauste Männer schrien aus der alkoholischen Abteilung nach ihren Frauen, die durch den Parfum-Bereich irrten. Und da die Israelis nun auch nicht besonders rücksichtsvoll sind, verkeilten sich überall Einkaufswagen und ihre Fahrer.
Es war das totale Chaos ausgebrochen, und dafür gab es nur einen Grund: Dealim. In den Duty-free-Shops zahlt man nicht nur keine Steuern, nein, es gibt auch unzählige Sonderangebote. Noch mehr, als die Israelis eh schon gewöhnt sind, denn egal, in welchen Laden man hier kommt, es gibt immer einen guten Deal. Während man dann so durch die Regale stöbert, hüpfen aufgeregte Verkäufer neben einem her und preisen an: »In diesem Regal ist alles eins plus eins. Dort drüben die Sachen sind zwei plus drei.« Selbst »kauf vier Pfannen und nimm eine umsonst« habe ich schon gehört. Ziel ist, ganz amerikanisch, der maximale Konsum.
Ich will meist nur ein Stück kaufen. Eine Pfanne. Ein Kleid. Eine Packung Alufolie. Aber die Dealim zwingen mich immer öfter in die Knie. Nicht selten muss ich von der Supermarktkasse aus noch einmal quer durch die Kaufhalle laufen, weil jedes dritte Stück auf dem Rollband laut Kassiererin eins plus eins ist. Denn das zweite ist ja kostenlos. Ich brauche zwar nur einen Honigkuchen, aber die Kassiererin sagt eins plus eins. Und so laufe und hechte ich nach Angeboten, die ich gar nicht will. Ich muss auch immer drei Bier kaufen, denn es gibt drei für 17,99 Schekel. Die Dealim versklaven mich mehr und mehr.
Denn es hört ja nicht beim Supermarkt oder im Laden auf. Jüngst fand ich im Briefkasten einen Brief meiner Krankenkasse. Sie boten mir an, einen Koffer für 50 Schekel zu kaufen. Meine Krankenkasse! Einen Koffer! Ich verstehe den Zusammenhang nicht. Selbst beim Tierarzt ist man nicht sicher. Er hat mir neulich zwei plus drei für die Katzenflohmittel angeboten. Dazu kommen die Gutscheine und Voucher für
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