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Guten Morgen, Tel Aviv

Guten Morgen, Tel Aviv

Titel: Guten Morgen, Tel Aviv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hoeftmann
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geschieht ihm recht« ist etwas, das sich auch im Hebräischen nur schwer übersetzen lässt. Außerdem beschäftigen sich die Deutschen gerne mit Schadenfreude. Friedrich Nietzsche erklärt das gehässige Verhalten mit den Worten: »Menschen verwandeln ihr Leid über die Unterlegenheit der eigenen Gruppe in Ärger gegenüber einer erfolgreicheren Gruppe, auch wenn es keinen direkten Wettbewerb gibt.« Und der deutsche Wilhelm Busch sagte: »Dummheit, die man bei andern sieht, wirkt meist erhebend aufs Gemüt.« Vielleicht auch deswegen ließen sich deutsche Politiker direkt nach der Japan-Katastrophe zu überheblichen Aussagen hinreißen. Renate Künast, mitten im Wahlkampf in Berlin, propagierte etwa: »Wir beherrschen nicht die Natur, sondern die Natur herrscht über uns.«
    Na, das hilft doch ungemein. In Israel dagegen berichten alle Medien völlig sachlich und geradezu langweilig über die Geschehnisse im Fernen Osten. Und während auf deutschen Titelblättern immer noch Katastrophenalarm herrscht, haben in Israel andere Themen die Probleme der Japaner fast vollständig verdrängt. Hier wurden inzwischen eine Siedlerfamilie von Palästinensern abgeschlachtet, ein vom Iran mit Waffen beladenes Schiff auf dem Weg zur Hamas abgefangen und zwei Palästinenser von rachewütigen Siedlern angegriffen.
    In Israel darf man sich nicht allzu schnell beunruhigen lassen. Während ich anfangs noch bei jeder kleinen Rakete meine sofortige Auswanderung plante und damit einem frühzeitigen Tod durch Herzschlag immer näher kam, bin ich nun deutlich ruhiger und abwartender eingestellt. Immerhin befindet dieses Land sich seit seiner Geburtsstunde vor 63 Jahren in einem permanenten Ausnahmezustand. Selbst die Revolutionen in den Nachbarländern haben lediglich zu zeitlich begrenzten Panikattacken geführt. Inzwischen haben sich aber alle wieder beruhigt. Warum fällt das uns Deutschen so schwer? Entspannung ist des Deutschen Sache nicht. Dabei war es doch auch jener Deutsche Friedrich Nietzsche, der sagte: »Was uns nicht umbringt, macht uns stärker.« Und immerhin der deutsche König von Mallorca, Jürgen Drews, der da sang »Keine Panik auf der Titanic«.
    Die Deutschen sollten und müssen wieder mehr Jürgen Drews hören. Das geschieht ihnen recht.

Hatiul hagadol
    Was den Deutschen Abiturienten ihr Mallorca, ist den jungen Israelis Indien. Und das, obwohl ihr Flug dahin, sollten sie denn in einer israelischen Maschine sitzen, länger dauert als von Berlin. Israelische Fluggesellschaften dürfen nämlich keine arabischen/islamischen Länder überfliegen. Weil sie a) keine Überflugrechte von den Ländern bekommen, b) sowieso Angst haben, abgeschossen zu werden, und c) schlecht in Teheran notlanden könnten. Das ist ungefähr so, als wenn die Lufthansa nicht über den Ostblock fliegen könnte. Man würde noch nach Mallorca kommen. Aber Thailand, der Deutschen zweitliebstes Ziel im letzten Jahr, wäre schon schwieriger zu erreichen.
    Israelis reisen trotzdem gerne. Und nicht nur das. Sie haben eine ganz andere Form von Tourismus erfunden. Hatiul hagadol, den großen Ausflug. Vor allem nach dem Armeedienst und vor dem Studium oder Start des Berufslebens, strömen Anfang 20-jährige Exsoldaten in die Welt hinaus. Es gibt auch ein paar Frauen, aber die Mehrzahl der Rucksack-Israelis ist männlich. Die Reise kann dann in zwei entgegengesetzte Richtungen gehen: entweder Richtung Südwest (Südamerika) oder gen Osten (Indien, Thailand, Nepal). Warum es genau diese beiden Möglichkeiten gibt? Alles andere ist entweder zu teuer oder zu gefährlich.
    Dort angekommen, sehen sie manchmal nicht viel von Land und Leuten, sondern vor allem ihre eigenen Landsmänner und -frauen. Mit denen sitzen sie gemeinsam in billigen Hostels und kiffen. Ungefähr 90 Prozent der israelischen Backpacker nehmen Drogen, viele härtere Sachen als Marihuana oder Haschisch. Das ist dann Hatiul hagadol. Vielleicht übersetzt es sich besser mit »Der große Trip«. Das muss man verstehen. Sie kommen gerade von der Armee. Drei harte Jahre liegen hinter ihnen, in der Mitte des Nahostkonflikts. Und ihre Reise ist eine Art »Suche nach sich selbst« trifft »Dampf ablassen«. Nicht wenige kommen mit neuen Psychosen im Gepäck nach Hause geflogen. Einige bringen aber auch andere Sachen mit. Die Erinnerung an Grenzerfahrungen oder ausländische, meist nicht jüdische Freunde und Freundinnen. Vielleicht ähneln sich diese Mitbringsel auch.
    Die klassischen

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