Gutgeschriebene Verluste - Roman mémoire
verzichtbereiten Schmatzgeräuschen überspielte – Fritz Neddermeyer, unser Dorfschwuler, ein Realist, der wußte, was Pubertät war. Mit seinen Sprüchen, seinem permanent geilen Getue machte allein er uns Mut, in der Richtung mehr zu wagen, mehr zu verlangen – auch von der ansonsten bemitleideten Schäker, einer dürren Dreizehnjährigen, die im Tannenwald als erstes Mädchen den probeweisen Pärchengang gestattete … Nahezu wortlos ging das, mit vor Aufregung angehaltenem Atem und dem vorsichtig um ihre knöchernen Schultern gelegten Arm – auch gleichzeitig mit zwei Jungs, die den Testlauf für das Höchste der Gefühle hielten, obwohl sie wußten, daß dies bestenfalls ein Anfang war und die nächsten Schritte ins Unbekannte, gar Verbotene führten. Als die Schäker praktisch über Nacht rundum Formen und richtige Brüste kriegte, verloren wir das Naturwunder ruckzuck an eine Rockerclique in der Kreisstadt … Von da an pöbelte sie bei jeder Begegnung im Dorf hinter uns her – eine lange unverständlich bleibende Demütigung, bis einer den zu Hause aufgeschnappten Spruch mitbrachte, gehst du zum Weibe, vergiß die Peitsche nicht … Ja klar, logo, sagten wir uns, ein Fehler … wir hätten die Schäker viel härter anfassen müssen, dann wär sie bei uns geblieben, ein Anfängerfehler, so ängstlich und verunsichert mit ihr umgegangen zu sein …
Eines Tages wechselten wir auf die andere Seite des Dorfes, wo die sieben Gemeinderäte – darunter mein Herr Vater – inmitten der schönsten Nordharzer Naturlandschaft einen sogenannten Volkspark mit Bächen, Bäumen und Bänken hatten bauen lassen, eine von uns zunächst belächelte Maßnahme … Bei den Mädchen unserer Altersklasse kam die zivilisierte Natur gut an und führte jeden Abend zu einem quasi mittelmeerischen Corso in diesem ›Volksvermehrungspark‹, wie er unter uns fast Halbstarken bald hieß. Hier war der Instinkt gefragt, der richtige Riecher – in erster Linie der von Rudi, der aufgrund seiner speziellen Bobachtungsgabe einigermaßen sicher wußte, wo und wann sich bei welchem weiblichen Wesen welche Spielräume eröffnen würden. Von unserem am originalen Waldrand gelegenen Kontrollposten setzte er sich zur Pirsch in den tiefer liegenden Park ab, um sich nach seiner Rückkehr in Andeutungen zu ergehen – nicht zu glauben, raunte er dann, daß der Abend da unten noch so schön geworden wäre. Schön wie was, hatte ich gefragt – schön wie das mit der in der roten Samtjacke, sagte er und rückte nach und nach genießerisch grienend damit heraus, wie es auf einer Parkbank zu gemeinsamen Handlungen gekommen wäre. Du hast mit ihr auf einer harten hölzernen Parkbank gefickt? Das war schon rein physisch unvorstellbar für einen Ahnungslosen, der in der Hinsicht bisher nicht einmal im Himmelbett etwas zustande gebracht hätte, ein Streichelbubi, dessen Phantasie für untenrum nicht reichte. Rudi wollte das ändern und versprach, sich für mich einzusetzen, morgen oder übermorgen, mal sehn, wir könnten alle drei zusammen mit der Samtjacke in unsere Waldbutze gehn … In unser Versteck, eine durch kleine Rodungen gewonnene Buschhütte, unter deren Blätterdach wir uns zurückzogen, um zu rauchen oder einander die aus dem blonden Flaum neu wachsenden, an der Spitze bereits schwärzlichen Sackhaare zu zeigen – bisher ohne weibliche Begleitung. So eine wie sie in der roten Samtjacke, eine Sechzehn- oder schon Siebzehnjährige mit den Formen einer erwachsenen Frau, sogar entwickelter als manche unserer Mütter. Sie trottete mit uns in einer kilometerlangen, schweigsamen Prozession durch die grünen Tunnelgänge immer enger werdender Waldwege … und oben auf dem Höllen-Berg angekommen, ging Rudi natürlich als erster mit ihr in die hinterste, mit Moosen und Gras ausgelegte Butze. Den zufrieden grienenden Gesichtsausdruck bei seiner Rückkehr Minuten später kannte ich schon – nicht die geringste Spur Besorgnis darin, die auf Probleme hätte schließen lassen. Als nächster verschwand Pitze im langen Gang durchs dichte Buschwerk, bis von ihm weder etwas zu hören noch zu sehen war. Auch er kam Minuten später allein zurück, wobei er den noch angeschwollenen Schwanz zwischen seinen Fingern hielt und einige letzte Tropfen zur Seite schnippte – dieser knubbelgesichtige Angeber zeigte sein längst erwachsenes Ding bei jeder Gelegenheit, womöglich als Ausgleich für sein Aussehen und sonstige Mängel. Dann wendete er sich zu mir und
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