Gwydion 01 - Der Weg nach Camelot
er: „Sie her, Bürschchen! Das hier ist die Grundstellung. Die Beine stehen so weit auseinander, dass du einen festen Stand hast. Linkes Bein und Schildarm vor. Mit dem Schwert schlägst du nun auf den Schild deines Gegenübers. Das macht ihr abwechselnd so lange, bis ich etwas anderes sage.“ Sir Kay drehte sich zu den anderen Knappen um. „Und ihr fahrt mit der Übung fort, die wir gestern begonnen haben.“ Er klatschte in die Hände. „Und los!“
Gwyn stellte sich breitbeinig vor Rowan und hob seinen Schild.
„Das linke Bein muss weiter vor, sonst fällst du um. Und geh mit deinem Hintern etwas herunter.“
Gwyn tat, was Rowan ihm sagte. „Besser?“
„Fast. Den Oberkörper etwas nach vorne, dann stimmt es. Und jetzt schlag zu.“
Gwyn ließ sein Holzschwert mit aller Kraft auf den Schild niedersausen.
„Kräftiger!“, forderte ihn Rowan auf. „Etwa so…“
Mit einem lauten Knall sauste nun Rowans Schwert auf Gwyns Schild nieder. Gwyn sperrte den Mund auf, verkniff sich aber einen Schmerzenslaut. Dann erwiderte er den Schlag.
„Sehr gut“, sagte Rowan und schlug nun wieder mit seinem Schwert zu.
„Und wie lange soll das so weitergehen?“, fragte Gwyn.
„Bis die Stunde um ist“, grinste Rowan. „Oder dir der Arm abgefallen ist.“
Gwyn schnaubte verächtlich und schlug wieder mit aller Kraft zu. Doch es dauerte nicht lange und das Schwert begann wie durch Zauberhand immer schwerer zu werden, während Rowan kein bisschen müde wirkte.
„Lass uns eine Pause machen“, keuchte Gwyn schließlich. „Ich kann nicht mehr.“
„Lass dir um Gottes willen keine Schwäche anmerken“, zischte Rowan. „Das kann Sir Kay überhaupt nicht leiden.“
„Sir Kay ist ein alter Leuteschinder“, japste Gwyn und führte einen weiteren Hieb aus.
Rumms.
„Aber er hatte Recht, das musst du zugeben. Für den Gladius bist du noch nicht bereit.“
Rumms.
„Dennoch könnte er ein wenig netter sein.“
Rumms.
Rowan lachte. „Das ist Camelot. Hier lernst du als Erstes, deine Grenzen zu überschreiten. Wenn du dazu nicht bereit bist, musst du gehen.“
Rumms.
Gwyn stöhnte. „Willst du damit sagen, dass es jetzt jeden Tag so sein wird?“
Rumms.
„Nein“, erwiderte Rowan. „Es wird jeden Tag schlimmer. Und wenn du denkst, dass du am Ende bist, wird die Schraube noch ein wenig fester angezogen.“
„He, Ritter vom Schweinekoben!“
Gwyn ließ das Schwert sinken und drehte sich um. „Ja?“
„Ja, Sir Kay!“, knurrte der Hofmeister, der Gwyn schon seit geraumer Zeit zu beobachten schien.
Gwyn wischte sich nervös den Schweiß von der Stirn. „Ja, Sir Kay.“
„Wie es scheint, ist Rowan nicht der richtige Partner für dich. Du hast immer noch genug Luft, um dich mit ihm zu unterhalten.“ Sir Kay nahm seinem Knappen Schwert und Schild ab. „Vielleicht solltest du mit jemandem weiterüben, der dir ebenbürtig ist. Nimm deine Grundposition ein!“
Gwyn, der mit seinen Kräften am Ende war, stellte sich schwer atmend vor den Hofmeister.
„Und jetzt schlag zu!“
Gwyns Arm war schwer wie Blei, dennoch gelang es ihm, den Hieb einigermaßen mit Schwung auszuführen. Die anderen Knappen hatten ihre Übungen unterbrochen und schauten jetzt dem Spektakel zu.
Rumms.
„Kräftiger.“
Rumms.
„Kräftiger!“
Rumms.
„KRÄFTIGER!“
Rumms.
Gwyn konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Schweiß lief in Strömen an ihm hinab. Seine Finger schmerzten und sein Arm brannte wie Feuer.
„Ist das alles, was du kannst, Ritter vom Schweinekoben?“, höhnte Sir Kay und gab Gwyn einen Stoß, der daraufhin stolperte und hinfiel. Gwyn stand wieder auf, hob sein Schwert und schlug wieder zu.
Rumms.
„Warum gehst du nicht wieder dahin zurück, wo du hergekommen bist, und erlöst uns von deinem Anblick, Ritter vom Schweinekoben!“ Sir Kay gab ihm wieder einen Stoß, der aber diesmal so kräftig war, dass Gwyn ein gutes Stück durch die Luft flog. Gwyn blieb einen Moment im Staub liegen. Kalte Wut stieg in ihm hoch. Er durfte jetzt nicht aufgeben! Dieser Menschenschinder sollte nicht über ihn triumphieren. Mühsam rappelte er sich auf, nahm sein Schwert in die kraftlosen Finger und schlug zu.
Rumms.
In hohem Bogen flog sein Schwert davon. Gwyn, der sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, nahm den Schild in die rechte Hand und hob das Schwert mit der linken auf.
„Gib auf“, sagte Sir Kay lächelnd mit einer warmen Stimme, als sei er schon immer Gwyns bester Freund gewesen.
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