Gwydion 02 - Die Macht des Grals
„Am besten in meinen Gemächern.“
Gwyn hob die Augenbrauen.
„Hast du ein Problem damit?“, fragte Katlyn unsicher und errötete leicht.
„Nein“, sagte er. „Ich dachte nur, dass Männern der Zutritt zu den Gemächern der Frauen untersagt ist.“
„Ach Gwyn. Du bist kein Mann und ich noch keine Frau. Ich denke, dieses Verbot betrifft uns somit nicht.“ Sie nickte ihm höflich zu. „Dann sehen wir uns morgen“, sagte sie und ging.
Gwyn hätte schwören können, dass Katlyn bei ihren letzten Worten schon wieder rot geworden war.
Gwyn wusste nicht, wie Neuigkeiten dieser Art so schnell die Runde machen konnten, aber als er mit den anderen Knappen am nächsten Morgen bei Arnold in der Küche saß und seinen Haferbrei mit Honig aß, wusste jeder, dass ihm Katlyn Privatunterricht im Lesen und Schreiben erteilen würde, und das auch noch in ihren Räumen.
„Wartet’s nur ab“, rief Cecil lachend. „Es dauert nicht lange und Katlyn wird doch noch die Dame seines Herzens.“
Die anderen trommelten laut johlend auf den Tisch, sodass Rowan sich genötigt sah, seinen Freund in Schutz zu nehmen.
„Mach dir nichts draus“, sagte er. „Du glaubst gar nicht, wie sie sich die Mäuler zerrissen haben, als das mit mir und Aileen herauskam.“
„Aber da ist nichts zwischen mir und Katlyn!“, rief Gwyn verzweifelt.
„Je mehr du es leugnest, desto weniger glauben wir dir!“, grölte Cecil.
„Cecil, du bist ein neidischer Zwerg, der noch nicht einmal Glück bei den Mädchen hätte, wenn sie blind und taub wären“, sagte Orlando. „Lasst ihn doch in Ruhe.“
Cecil hob abwehrend die Hände. „Von mir aus, meinen Segen hat er. Ich könnte jedenfalls nichts mit ihr anfangen.“
„Weil sie zu klug für dich ist“, erwiderte Orlando trocken. „Wenn Cecil sich jemals auf die Suche nach jemandem begibt, der zu seiner Intelligenz passt, sollte es mich nicht wundern, wenn wir ihn in einem Ziegenstall anträfen.“
Cecil packte Orlando beim Kragen und schwang drohend die Faust. „Sag das noch einmal, du hispanischer Gockel!“
Gwyn nahm seinen Teller und stand auf. „Das tu ich mir nicht an. Esst ohne mich weiter.“
Er ging nach draußen und setzte sich auf die Treppe, um wenigstens dort in Ruhe sein Frühstück zu beenden, als er plötzlich eine Stimme neben sich hörte.
„Hallo, Gwyn.“
Er sah überrascht auf. „Aileen!“
Die Prinzessin lächelte ihn an und strich sich das lange, rotblonde Haar aus dem Gesicht. „Warum bist nicht drinnen bei den anderen?“
„Ich brauchte ein wenig frische Luft.“ Er stellte den Teller ab und stand auf. Erschrocken stellte er fest, dass Aileen in einer jämmerlichen Verfassung war. Sie hatte an Gewicht verloren, ihre Augen sahen verheult aus und die Haut hatte eine ungesunde Farbe. Es schien, als hätte sie mehrere Nächte nicht mehr anständig geschlafen. „Wie geht es dir?“, fragte er besorgt.
„Sehe ich so schlimm aus?“, fragte sie mit einem gezwungenen Lächeln. „Keine Angst, ich bin in Ordnung. Schön, dass du wieder da bist. Es gibt viele, die dich vermisst haben.“
Du auch?, dachte Gwyn. Doch er sprach es nicht laut aus.
„Allen voran Katlyn“, fuhr sie fort. „Was hast du mit ihr angestellt? Ich habe sie noch nie so guter Laune gesehen.“
„Gar nichts. Wir haben uns gestern Abend nur ein wenig unterhalten, sonst nichts.“
„Aha, sonst nichts“, wiederholte Aileen vielsagend.
Gwyn rollte mit den Augen. Langsam hatte er genug von all den Anspielungen und nur mäßig witzigen Bemerkungen.
„Jedenfalls ist sie schon ganz aufgeregt. Sie hat mir erzählt, dass sie dir in den nächsten Monaten Unterricht im Lesen und Schreiben erteilen wird.“
„Und? Ist das verboten?“, zischte Gwyn gereizt.
Aileen kicherte, und für einen Moment war sie wieder die unbeschwerte Prinzessin, die er bei seiner Ankunft kennen gelernt hatte. „Natürlich nicht. Man hört nur das eine oder andere.“
„Ach ja? Und was?“, rief Gwyn wütend. „Himmel, Camelot ist schlimmer als jedes Bauerndorf, wo man sich noch nicht einmal am Hintern kratzen kann, ohne dass sich die Nachbarschaft für die nächsten Monate das Maul zerreißt!“
Aileen seufzte. „Lass dich nicht ärgern“, sagte sie und tätschelte seine Schulter. Dann nahm sie seinen Teller und ging in die Küche.
Nicht ärgern lassen! Gwyn schnaubte verächtlich. Das war leichter gesagt als getan. Er konnte sich schon vorstellen, wie der Rest des Tages verlaufen würde. Cecil
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