Gwydion 02 - Die Macht des Grals
nicht solch ein leichtes Spiel gehabt. Morgen eine Revanche?“
Gwyn lächelte und verneigte sich knapp. „Es wäre mir eine Ehre.“
Benedict verbeugte sich ebenfalls und zog hinkend davon, nicht ohne leise brummelnd seine eigene Unfähigkeit zu beklagen.
„Alle Achtung“, sagte Rowan zu Gwyn, als sie sich nach dem Unterricht nahe den Ställen in die Sonne setzten, um die wohlverdiente Pause zu genießen.
Gwyn zuckte mit den Schultern und blinzelte ins Licht. „Benedict war müde. Morgen wird es anders aussehen.“
Rowan winkte ab.
„Benedict ist ein alter Aufschneider, der immer eine Entschuldigung findet, wenn sich im Kampf ein anderer als der Bessere erweist.“ Er musterte seinen Freund eindringlich. „Du bist ruhiger geworden. Besonnener.“
Doch Gwyn antwortete nicht, sondern malte mit einem Stöckchen Muster in den Sand.
„Alles in Ordnung bei dir zu Hause?“, fragte Rowan.
„Ja“, sagte Gwyn einsilbig. Schließlich gab er sich doch einen Ruck und schaute auf. „Nein, das ist gelogen. Die Heimkehr war schrecklich. Ich bin froh, dass mir Lancelot einen Grund gegeben hat, wieder hierher zurückzukehren.“
„Du hattest wirklich vor, Camelot als abgeschlossenes Kapitel in deinem Leben zu betrachten?“
Gwyn nickte. „Aber als ich wieder in Redruth war, wurde mir bald klar, dass ich nur eine Familie habe, und die ist hier.“
„Was ist geschehen?“
Gwyn holte tief Luft. „Rowan, du bist mein bester Freund, dem ich sogar mein Leben anvertrauen würde. Aber ich kann es dir einfach nicht erzählen. Noch nicht. Es tut mir Leid.“
„Ist schon in Ordnung“, sagte Rowan und seine Miene verdüsterte sich. „Wir alle haben unsere dunklen Geheimnisse, die wir wohl für den Rest unseres Lebens mit uns herumtragen werden, ohne dass uns jemand von dieser Bürde befreien könnte.“
„Wie geht es Aileen?“, fragte Gwyn, der das Gespräch nun in eine andere Richtung lenken wollte.
„Wir haben uns in der letzten Zeit nicht sehr häufig gesehen.“ Rowan hob einen Kiesel auf und warf ihn fort. Dann stand er auf und klopfte sich den Hosenboden ab. „Die Begegnung mit Mordred macht ihr noch immer zu schaffen.“ Er reichte Gwyn die Hand, um ihn hochzuziehen. „Und ich glaube, dass sie dich auch ein wenig vermisst hat.“
Gwyn spürte einen Stich in seinem Herzen, als Rowan das sagte. Tatsächlich verband ihn mit Aileen sehr viel, seitdem er sie in einer halsbrecherischen Aktion – und mit einer enormen Portion Glück, wie er zugeben musste – aus den Händen ihres Vaters Mordred befreit hatte. Er mochte sie sehr, und wenn er ehrlich war, hatte er in den vergangenen Tagen fast jede Minute an sie denken müssen. Doch er wusste, dass diese Gedanken verboten waren. Rowan und Aileen waren füreinander bestimmt. Es gab nichts, was die beiden trennen konnte. Und das war auch gut so.
Den Rest des Tages verbrachten die Knappen mit weiteren Lektionen in Bogenschießen, waffenlosem Nahkampf und einem leichten Ausritt. Galahad hatte ein Einsehen mit den Knappen und ließ es ruhig angehen, was Gwyn nur recht sein konnte, denn seine Reitkünste waren noch lange nicht so gut, dass er mit den anderen mithalten konnte. Kurz vor Sonnenuntergang kehrten sie wieder zurück und nahmen in der Küche ein ausgiebiges Abendessen ein. Alle waren bester Laune, nur Gwyn saß stumm abseits und rührte lustlos in seiner Kohlsuppe herum.
„Wir wollten noch eine Runde Pilamalleus spielen und uns fehlt noch ein Mann“, sagte Orlando. „Wie sieht es aus, bist du mit dabei?“
Gwyn schaute ihn mit leicht säuerlichem Gesicht an. „Würde ich gerne, aber ich habe noch Unterricht.“
„Hat dir Sir Kay wieder einmal eine Strafe aufgebrummt?“, fragte Cecil empört.
„Nein, das ist es nicht. Merlin meint, es sei an der Zeit, dass ich endlich Lesen und Schreiben lerne.“
„Lesen und Schreiben?“, Cecil verzog angewidert das Gesicht. „Bei uns hat er es auch versucht, aber bald wieder aufgegeben. Wer braucht so etwas auch schon? Kann man mit Worten eine Schlacht gewinnen oder mit einer Schreibfeder jemanden aufspießen?“
„Also hat dich der alte Mann doch noch als Schüler bekommen“, sagte Orlando in einem Tonfall, als hätte er es schon immer gewusst. „Pass nur gut auf dich auf. Es ist nicht immer von Vorteil, zu vertraut mit dem Ratgeber des Königs zu sein.“
Camelots größter Schatz
Die Sonne ging bereits unter, als sich Gwyn zu Merlins Turm aufmachte. Im Burghof spielten
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