Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
antwortete Gwyn.
„Wir werden laufen müssen“, stellte Lancelot fest und schaute zum Himmel hinauf. „Bis zum Einbruch der Dämmerung sollten wir es geschafft haben.“
Gwyn schüttelte den Kopf. „Wir werden unser Ziel früher erreichen.“
„Nur, wenn wir auf der Straße bleiben, wo wir dem Feind garantiert in die Arme laufen werden. Nein, wir müssen uns durch die Büsche schlagen“, widersprach Lancelot.
Sie gingen zurück zum Hafen und versteckten das Boot zusammen mit den schweren Ausrüstungsgegenständen hinter einem Felsen. Dann stopften sie Proviant für drei Tage in ihre Taschen und machten sich auf den Weg.
Sie waren keine drei Meilen weit gekommen, als sie die ersten von Mordreds Männern sahen. Es waren vier schwer bewaffnete Reiter, die einen Ochsenkarren eskortierten, auf dem zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig erschöpfte Gestalten hockten. Gwyn erkannte auch einige Frauen, die ihre schreienden Kinder zu beruhigen versuchten.
„Sieht so aus, als hättest du Recht, was die Arbeitssklaven angeht“, flüsterte Rowan. Sie hatten sich hinter einem dichten Busch versteckt, von wo aus sie alles beobachteten. „Da fragt man sich, was besser ist: der schnelle Tod durch das Schwert oder das langsame Sterben im harten Frondienst.“
„Kommt, lasst uns weiterziehen“, flüsterte Lancelot. „Wir können nichts für sie tun. Sie sind jetzt schon tot.“ Er wollte weiterkriechen, als er merkte, dass ihm niemand folgte.
„Was ist?“ zischte Lancelot wütend. „Jetzt ist ein äußerst schlechter Zeitpunkt für heldenhafte Taten. Wir sind in der Unterzahl.“
„Vier gegen vier betrachte ich nicht als Unterzahl“, antwortete Gwyn.
„Ein alter Mann und drei Kinder gegen vier gut ausgebildete Soldaten ist ganz gewiss nicht das, was ich ein ausgeglichenes Verhältnis nennen würde“, sagte Lancelot sarkastisch.
„Ihr vergesst die Bauern auf dem Karren.“
Lancelot rollte mit den Augen. „Es sind Bauern! Sie werden nicht kämpfen! Eher lassen sie sich wie Kälber zur Schlachtbank führen!“
„Ihr habt keine sehr gute Meinung von Menschen, die das tägliche Brot im Schweiße ihres Angesichts verdienen müssen“, erwiderte Gwyn kalt.
„Darüber können wir gerne ein andermal diskutieren, Gwyn“, gab Lancelot gereizt zurück. „Doch nun sollten wir sehen, dass wir von hier verschwinden. Ich werde mich erst dann wieder wohlfühlen, wenn wir an Bord unseres kleinen Schiffes sind und die Küste Cornwalls eine gute Meile entfernt ist.“
Gwyn achtete nicht darauf, was Lancelot sagte. Stattdessen stand er auf und zückte sein Schwert. Und bevor der alte Ritter reagieren konnte, hatte Gwyn schon einen lauten Pfiff ausgestoßen.
Die Soldaten, die offensichtlich nicht damit rechneten, angegriffen zu werden, schauten sich träge um.
Lancelot packte Gwyn am Rock, doch der schüttelte die Hand mit einer brüsken Geste ab und pfiff noch einmal. Jetzt hatte ihn einer der Männer entdeckt.
„Lasst sofort die Bauern frei!“, rief er. „Sonst…“
Mordreds Männer schauten sich belustigt an. „Sonst was?“, rief einer von ihnen zurück.
Lancelot schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und ließ sich kopfschüttelnd auf einem umgestürzten Baumstamm nieder.
„Sonst werden wir euch dazu zwingen!“
„Wir?“, fragte der Mann, als hätte er nicht richtig gehört. „Was soll das heißen: wir? Bist du vielleicht der Anführer einer Armee?“
Da richteten sich auch Rowan und Katlyn auf. Das Lachen, in das die vier Soldaten nun ausbrachen, war laut und höhnisch. „Was denn? Du glaubst, wir haben Angst vor zwei halbwüchsigen Jungen und einem Mädchen in Männerkleidern?“
Gwyn gab Lancelot einen Stoß, damit auch dieser die Deckung verließ. Mit rollenden Augen kam der Ritter auf die Beine.
„Oh, ich muss mich verbessern: zwei halbwüchsigen Jungen, einem Mädchen in Männerkleidern und einem rüstigen Großvater“, sagte der Anführer.
Die Menschen auf dem Karren blickten zu Gwyn herüber, als hätten sie vor ihm mindestens genauso viel Angst wie vor den Kriegern, die auf der Brust den grünen Drachen trugen.
„Ich sage es zum letzten Mal: Lasst auf der Stelle die Bauern frei!“
Der Anführer seufzte und schüttelte den Kopf. Schließlich gab er einem seiner Männer den Befehl anzugreifen. Der zog daraufhin sein Schwert, stieß einen wilden Schrei aus und jagte mit seinem Pferd den Hang hinauf.
Gwyn schluckte und umklammerte den Griff seiner Waffe fester, als
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