Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
nach dem Einschlagen oben zugespitzt worden waren. Überall lagen hastig zusammengeflochtene Schilde herum, die ein wenig wie zu groß geratene Korbdeckel aussahen. Sie waren einfach herzustellen und immerhin wirkungsvoller, als sich mit leeren Händen einem Schwertkämpfer zu stellen. Gwyn sprang von seinem Pferd und schaute sich von Panik getrieben um.
Ein Schluchzen ließ ihn herumfahren. Gwyn lief zum Stall.
„Muriel!“
Blut und Dreck hatten sich wie eine Maske auf ihr Gesicht gelegt. In den Augen seiner Stiefschwester spiegelte sich noch der Schrecken der vergangenen Schlacht. An die Holzwand gelehnt lag Do Griflet. Er hatte ein halbes Dutzend Schnitte an Kopf, Armen und Beinen erlitten, die vergleichsweise harmlos wirkten im Gegensatz zu einer großen dunkelroten Wunde in der Brust, die tief und nicht durch ein paar Nadelstiche zu behandeln war.
Als Muriel Gwyn sah, murmelte sie nur ein Wort. „Du?“ In ihrer Stimme lag maßlose Enttäuschung. Sie stand auf.
„Du?“, wiederholte sie. Und bevor Gwyn etwas sagen konnte, hatte sie ihm einen solch heftigen Schlag ins Gesicht versetzt, dass Gwyn überrascht zurücktaumelte.
„Warum erst jetzt?“, schrie sie ihn an. „Warum bist du nicht eine Stunde früher gekommen? Dann hättest du meinen Vater retten können!“
Gwyn hielt sich die Wange. „Ich hatte nicht gewusst…“ Aber mehr konnte er nicht sagen, denn da war ihm Muriel schon um den Hals gefallen. „Oh Gwyn! Es war so schrecklich! Sie sind wie die Tiere über uns hergefallen. Ohne Gnade, Gwyn. Ohne Gnade…“
Muriel brach in Tränen aus und löste die Umarmung.
„Lebt er noch?“, fragte Gwyn mit Blick auf Do. Muriel, die nicht mehr in der Lage war, ein Wort hervorzubringen, nickte nur. Gwyn beugte sich zu seinem Ziehvater hinab und ergriff seine Hand.
Die geschlossenen Augenlider des Mannes zitterten. Die Lippen bewegten sich, doch sprach er so leise, dass Gwyn es nicht verstehen konnte. Er brachte sein Ohr nah an den Mund des Mannes.
„Edwin… ich wusste, dass du zurückkehren würdest“, keuchte er.
„Es tut mir leid. Ich bin nicht Edwin“, sagte Gwyn.
Do Griflet wandte seinen Kopf um und öffnete die Augen. Selbst diese Bewegung schien zu viel für den schwer verletzten Mann zu sein.
„Gwydion?“
Gwyn nickte.
Auf Do Griflets Gesicht zauberte sich ein seliges Lächeln. „Wie schön, dich noch einmal zu sehen.“ Er hustete schmerzhaft. „Schau, wie wir uns gewehrt haben“, sagte er matt. „Du hattest Recht. Man muss kämpfen… muss kämpfen.“
Auf einmal war Lancelot bei ihnen. Er betrachtete den Mann und war dabei sichtlich um Fassung bemüht. „Ich grüße Euch, Meister Griflet.“
„Kenne ich Euch?“ fragte Do, um dann die Frage selbst zu beantworten. „Aber ja, Ihr seid der Ritter, den mein Sohn im Wald gefunden hat.“
Gwyn zuckte bei diesen Worten zusammen. Es war klar, dass er mit „mein Sohn“ nicht Edwin gemeint hatte.
„Ihr habt mir das Leben gerettet“, sagte Lancelot.
Do Griflet schüttelte träge den Kopf. „Nein, dazu hat mein Wissen leider nicht ausgereicht.“
Lancelot ignorierte die Worte. „Es ist an der Zeit, dass ich diese Gunst erwidere.“
„Ihr werdet nicht viel ausrichten können. Das Schwert ging glatt durch mich hindurch“, keuchte Do Griflet. Vorsichtig schlug Lancelot das Hemd beiseite. Beim Anblick der Wunde begann Muriel wieder zu schluchzen. Auch Gwyn schloss die Augen und holte tief Luft.
„Ich werde den Morgen nicht mehr erleben“, sagte Do. Er stellte dies mit einer Sachlichkeit fest, als sagte er das Wetter für den nächsten Tag voraus.
„Ja, Ihr werdet sterben. Noch in dieser Nacht“, sagte Lancelot. „Aber ich kann Euch für die letzten Stunden Erleichterung verschaffen und Euch die Schmerzen nehmen.“
Do dachte einen Moment nach. „Ich glaube, das wäre keine schlechte Idee“, sagte er. „Wisst Ihr, meine Eingeweide fühlen sich an, als hätte ich heute Morgen mein Schabeisen verschluckt.“
Lancelot winkte Rowan und Katlyn zu sich heran. „Sucht Mohn, Hanfblüten und Johanniskraut. Je mehr ihr findet, desto besser. Setzt einen Sud auf, kocht ihn zu einer Paste ein und vermischt ihn mit etwas Honig. Rasch, wir dürfen keine Zeit verlieren.“
Die beiden nickten und liefen davon.
„Wir hatten schon früh von den Banden erfahren, die von Osten nach Cornwall eindrangen“, wisperte Do. „Ihnen eilte ein schrecklicher Ruf voraus. Dass sie alles plündern, was ihnen nützlich erscheint. Und dass
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