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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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Wind gesellte sich nun eine Strömung, die ab Ilfracombe immer stärker wurde und sie nach Norden abzudrängen drohte. Lancelot musste sein ganzes Können aufbieten, um gegen diese Brise zu kreuzen und den Kurs zu halten.
    Katlyn hatte sich umgezogen und das lange Haar zu einem Zopf geflochten. Nun saß sie neben Lancelot und ließ sich von ihm erklären, wie die Klinge des Gladius zu schärfen war, während sich Gwyn und Rowan die Seele aus dem Leib ruderten.
    Als sie die Mündung des Taw erreichten, errichteten sie das Nachtlager und nutzten das Segel als Zelt. Lancelot wagte es, ein Feuer zu entzünden, denn ein großer Teil ihrer Sachen war bei dem stürmischen Wetter nass geworden und musste nun getrocknet werden. Die Nacht war zwar sternenklar, aber ausgesprochen mild, sodass sie trotz der Müdigkeit noch lange wach blieben, sich Geschichten erzählten und leise Lieder sangen. Aus dem kümmerlichen Proviant hatte Katlyn ein vorzügliches Abendessen gezaubert, indem sie das getrocknete Fleisch in einem Sud aus frischen Kräutern zunächst eingelegt und dann darin gekocht hatte.
    Es war ein friedlicher Abend, heiter und unbeschwert – trotz des Krieges, der nun im Osten aufzog und das Land in eine lange, dunkle Nacht stürzen würde. Doch niemand mochte jetzt an die Mühsal und die Schmerzen denken, die die Zukunft für jeden von ihnen bereithielt.
    Als die Lieder zu Ende gesungen waren und es keine Geschichten mehr zu erzählen gab, starrten sie, eingehüllt in ihre Decken, noch lange in die verlöschende Glut des Feuers, bis ihnen die Augen zufielen und sie alle in einen tiefen, traumlosen Schlaf hinüberglitten.
    Früh am anderen Morgen, die Sonne war gerade aufgegangen, packten sie nach einem kargen Frühstück ihre Sachen zusammen und stachen wieder in See. Der Wind hatte in dieser Nacht gedreht. Er kam nun aus Norden und brachte eine Kühle mit, die für diese Jahreszeit ungewöhnlich war. Aber dafür kamen sie an diesem Tag schnell voran. Wie ein Sturmvogel peitschte das kleine Boot über die Wellen. Gischt schlug ihnen ins Gesicht. Gwyn schmeckte das Salz auf seiner Haut und spürte ein erstaunliches Gefühl der Freiheit in sich aufsteigen.
    Er schaute dem Spiel der Wellen zu. Die Zukunft war wie dieses Meer, weit und endlos, mit unentdeckten Gestaden jenseits des Horizonts. Er lächelte Katlyn an und sie lächelte zurück, wobei sie in die Sonne blinzelte und sich eine Haarsträhne aus der Stirn strich. Lancelot flüsterte Rowan etwas zu, worauf dieser kicherte, doch es war Gwyn egal. Er verspürte eine Traurigkeit in sich, die jedem anderen Gefühl einen bittersüßen Beigeschmack gab. Gwyn hatte lange gebraucht, um diese Traurigkeit als das zu erkennen, was sie war: Einsamkeit. Das Fehlen von Heimat. Er war der Fischerkönig, auf Erden gab es niemanden, der über ihm stand. Eigentlich sollte er die Hoffnung verkörpern, die er selber suchte, Sicherheit geben, die ihm selber fehlte. Er musste stark sein, obwohl er sich schwach fühlte. An manchen Tagen war die Last der Verantwortung so groß gewesen, dass er am liebsten ein Boot wie dieses bestiegen hätte, um nach Westen zu segeln, wo die Welt ihr Ende fand.
    Der Himmel bewölkte sich und am späten Nachmittag brach plötzlich ein solch gewaltiges Gewitter los, dass sie mit einem Mal das Land nicht mehr sehen konnten. Lancelot riss das Steuer herum und hielt auf die Küste zu, die glücklicherweise nach einer halben Stunde als dunkle Wand vor ihnen erschien.
    Es war gefährlich, so nah bei der Brandung zu segeln. Schnell konnten sie an einem der zahlreichen Felsen zerschellen, die man nur sah, solange man sich gerade auf einem Wellenberg befand.
    Als es zu dämmern begann, wurde Lancelot sichtlich nervös. Wenn sie nicht bald eine Anlegestelle fanden, mussten sie die Nacht auf dem Meer verbringen, und das war bei diesem Wetter mörderisch.
    Im letzten Licht des Tages, sie konnten gerade noch die Hand vor Augen erkennen, erblickte Lancelot ein flaches Stück Strand und hielt darauf zu. Gemeinsam zogen sie das Boot so weit wie möglich aufs Land und drehten es um, damit sie für die Nacht eine windgeschützte Zufluchtsstätte hatten. Das Segel wäre ihnen bei diesem Sturm davongeweht worden.
    Niemand tat in den Stunden bis zum Morgengrauen ein Auge zu, denn die Brecher donnerten und brausten so laut wie ein Orkan. Es war ein unheilvoller Ort, an dem sie die Nacht verbrachten, obwohl niemand von ihnen zu sagen vermochte, was diese Beklemmung verursachte.

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