Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis
Rammbocks zu verhindern. Camelot machte in der Tat den Eindruck einer uneinnehmbaren Burg.
Als die Gruppe das Wäldchen erreichte, ließ Gwyn sich langsam zurückfallen. Sobald die Bauern außer Sicht waren und er sich unbeobachtet fühlte, schlug er sich in die Büsche und hastete auf allen vieren den Wall hinauf, bis er den Strauch erreichte, hinter dem sich die schmale Öffnung des Geheimgangs befand. Gwyn hatte keine Lampe dabei, also musste er sich ohne Licht durch den finsteren, zwanzig Fuß langen Durchlass ziehen.
Als sich die Röhre zu einem Gang öffnete, richtete er sich auf. Wie ein Blinder tastete er sich mit ausgestreckten Armen voran. Plötzlich glaubte er nicht weit entfernt einen Lichtschein zu sehen. Erschrocken hielt er die Luft an und lauschte.
Kein Laut drang zu ihm. Das Mauerwerk schien jedes Geräusch zu schlucken. Und dennoch war da etwas! So leise wie möglich schlich er weiter. Das Licht schien aus dem Dianatempel zu kommen, der sich tief unter der Burg befand, und den Gwyn einst entdeckt hatte. Doch kaum befand er sich in Höhe der kleinen Öffnung, die hinab in das verborgene Heiligtum führte, erstarb das Licht und Dunkelheit umfing ihn wieder. Mit einem Mal hatte Gwyn das Gefühl, nicht allein an diesem Ort zu sein, und obwohl die Zeit drängte, verharrte er einige Augenblicke, um mit seinen Ohren die Stille zu durchdringen. Nichts schien sich zu rühren. Zögernd ging Gwyn weiter.
Er musste sich auf den Weg konzentrieren, den er in seinem Leben nur zweimal gegangen war. Jeder Fehltritt würde in einer Katastrophe enden. Er durfte sich nicht verlaufen. Und er musste darauf achten, dass nicht noch jemand außer ihm durch die dunklen Gänge streifte. Wenn er einem der Ritter in die Arme lief, würde Gwyn ernsthafte Schwierigkeiten haben, sein plötzliches Auftauchen zu erklären.
Schließlich erreichte er die Tür, die zu Meister Arnolds Speisekammer führte, und legte ein Ohr an das Holz. In der Küche schien der Teufel los zu sein. Irgendjemand bellte heiser einige Befehle. Dutzende Schuhe und Stiefel scharrten über den Boden, im Hintergrund jammerte Meister Arnold.
Gwyn zwängte sich durch die Luke und kroch hinter ein leeres Fass. Durch die angelehnte Tür konnte er Sir Galahad sehen, der einige junge Burschen zur Eile antrieb. Gwyn wusste, dass nun das schwerste Stück zu bewältigen war. Er musste unerkannt durch die Küche über den Hof zu Merlins Turm gelangen. Er schnappte sich einen Korb mit Äpfeln und hob ihn auf die Schulter. Vielleicht gelang es ihm auf diese Weise, sich unter das Gesinde zu mischen.
Gwyn trat hinaus in die Küche und schlug, scheinbar arglos, den Weg zur gegenüberliegenden Tür ein. Als er sie fast erreicht hatte, hörte er eine Stimme hinter sich.
„He, kannst du mir einmal sagen, wohin du mit den Äpfeln willst?“ rief Galahad.
„Ich trage sie hinaus“, murmelte Gwyn.
„Verdammt, haben wir es denn nur mit Holzköpfen zu tun? Nicht hinaus, herein!“
„Ja, Herr“, sagte Gwyn und drehte sich so um, dass der Ritter sein Gesicht nicht sehen konnte. Er stellte den Korb in eine Ecke, nahm stattdessen eine leere Kiste und verließ so schnell wie möglich die Küche.
Draußen im Burghof herrschte ein heilloses Durcheinander. Jeder schien zu tun, was er gerade für richtig hielt, niemand folgte einem übergeordneten Befehl. Gwyn schaute sich verstohlen um. Von Artur war nichts zu sehen. Stattdessen entdeckte er einige der Knappen bei der Schmiede. Ein wehmütiges Gefühl ergriff sein Herz. Am liebsten wäre er zu ihnen hinübergelaufen, um sie zu begrüßen, aber er musste weiter. Gwyn zwängte sich mit gesenktem Kopf an Bauern vorbei, die ihre Zelte errichteten, und betete, dass er keinem in die Arme lief, den er kannte.
Während im Hof ein mächtiges Gedränge herrschte, schien Merlins Turm verlassen zu sein, geradeso als würden die Menschen ihn meiden. Es war ein schmutziger Ort geworden, verkommen und voller Ratten, die sich am stinkenden Unrat labten, der sich auf den Stufen und in den Ecken türmte.
Ohne zu zögern, hastete Gwyn die Treppe hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. Heimlichtuerei hatte keinen Sinn. Wenn ihm hier eine Wache begegnete, war seine Mission gescheitert. Oben angekommen stellte er fest, dass die Tür zu Merlins Gemächern nicht verriegelt war. Vorsichtig stieß er sie auf.
Es war, als hätte jemand hier in sinnloser Raserei gewütet oder ein Betrunkener wankend nach Halt suchend Tische und Stühle
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