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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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umgestürzt. Ein Kerzenleuchter war umgefallen und das Fensterglas, auf das Merlin immer so stolz gewesen war, lag in Scherben auf dem Boden. Die Matratze seines Bettes war aufgeschlitzt und zerrissen worden, die Füllung aus Seegras und Pferdehaar lag überall verstreut.
    Hier sollte sich der Gral befinden? Gwyn überfielen echte Zweifel, als er über die Scherben stieg. Doch bevor er die verwüstete Kammer durchsuchte, würde er das Buch des Joseph von Arimathäa aus der Bibliothek holen müssen. Hastig polterte er die Stiegen hinauf und blieb wie angewurzelt im Türrahmen stehen.
    Der Raum sah aus, als hätte es hineingeschneit. Kleingerissene Papierschnipsel bedeckten knöchelhoch den Boden. In einer Ecke lagen die ledernen Einbände wie Kadaver ausgeweideter Tiere. Inmitten dieses Meeres zerstörten Wissens erhob sich wie eine hölzerne Insel ein Tisch. Und auf dem Tisch lag das Buch. Es war die einzige Schrift, die die Zerstörung unbeschadet überstanden hatte.
    Gwyn wollte es gerade an sich nehmen, als ihn ein Seufzen zusammenzucken ließ. Er wirbelte in die Richtung, aus der der Klagelaut gekommen war.
    An die Wand gelehnt sah er Guinevra – alt, verhärmt und mit qualvollem Blick. In ihren Schoß hatte sie Arturs Kopf gebettet. Mit immergleichen Bewegungen strich sie ihm, der im Fieberschlaf zu träumen schien, liebevoll durch das schlohweiße Haar. Ein kurzer Ausdruck des Erkennens blitzte in ihren Augen auf, als sie Gwyns Anwesenheit bemerkte. Dann wandte sie sich wieder ihrem Gemahl zu und summte dabei eine monotone Melodie.
    Verstört taumelte Gwyn gegen den Tisch und das Buch fiel zu Boden. Hastig hob er es auf und stürzte wieder hinab in Merlins Kammer – froh, diesen Ort des Wahnsinns verlassen zu können.
    Gwyn stopfte sich das kleine rote Buch in den Bund seiner Hose und begann das Chaos zu durchwühlen. Auch wenn das Licht des Tages durch das zerschlagene Fenster fiel, war es so dunkel, dass er kaum etwas erkennen konnte. Er schaute sich um, durchsuchte Lumpenhaufen und Kisten voller Gerümpel, als er schließlich Feuerstein und Zunder fand. Einen Moment zögerte er, dann raffte er eine Handvoll Papier auf, knüllte es zusammen und legte es in eine Feuerschale. Dann zerschlug er einen Schemel, um dessen Holz verbrennen zu können.
    Als die Flammen hochzüngelten, zwang sich Gwyn, die Lage in aller Ruhe zu erfassen. Wenn sich der Gral tatsächlich in dieser Kammer befand, hatte Merlin ihn sicherlich gut verborgen. Oder auch nicht, dachte Gwyn grimmig, der wusste, wie der Verstand des verschlagenen alten Mannes arbeitete. Vielleicht hatte er den Gral ja gar nicht versteckt, sondern für alle sichtbar in ein Regal gestellt. Und einen Baum versteckte man immer noch am besten in einem Wald. Gwyn spürte, wie unter seinen Füßen die Scherben knirschten. Er schaute hinab und sah auf dem Boden verstreut die Reste einer tönernen Schale. Eine kalte Hand griff nach seinem Herzen. Hoffentlich hatte Artur in seinem Wahn den Gral nicht zerbrochen! Mit einer fahrigen Geste wischte sich Gwyn über die Augen. Nein, das durfte nicht sein. Merlin hatte gesagt, dass das Medaillon der Schlüssel zum Gral sei. Artur konnte den Gral also gar nicht gefunden haben!
    Gwyn schaute sich um. Die Regale, in denen Merlin seine Gefäße aufbewahrte, standen alle noch an ihrem Platz und waren sogar mit einer dicken Staubschicht überzogen.
    Gwyn holte das Medaillon hervor und betrachte es eingehend. Nichts Besonderes war an der silbernen Münze, von der Tatsache einmal abgesehen, dass sie ausnehmend schön gearbeitet war.
    Die Zeit lief ihm davon, das wusste er mit jeder Sekunde, die unerbittlich verstrich. Erneut zog er das Buch zurate und blätterte es hastig durch. Die aramäischen Schriftzeichen krochen wie Würmer über die erstaunlich gleichförmigen Seiten. Nur selten wurde die Schrift durch eingestreute Illustrationen unterbrochen, die ebenso verschlüsselt wie der Text waren, den er zusammen mit Katlyn so erfolglos zu entziffern versucht hatte. Wut und Enttäuschung vermischten sich zu einem Gefühl grenzenloser Ohnmacht. Er war dem Gral so nahe, dass er eigentlich über ihn stolpern musste. Bestimmt war es einer der Becher in den Regalen! Und dennoch offenbarte sich der Kelch ihm nicht. Gwyn hatte die Wahl: Entweder versuchte er ein letztes Mal mit wenig Aussicht auf Erfolg die Schrift zu enträtseln, oder er suchte auf gut Glück nach dem heiligen Gefäß. Er steckte das Buch in den Bund seiner Hose und schaute

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