Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
soll, was noch zu retten ist.
Andererseits gibt es aber auch immer mehr Eltern, die Nachhilfe vorbeugend einsetzen. Eine Umfrage des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie kam im Mai 2008 zu folgender Erkenntnis: »Ziel der Ergänzungsstunden (= Nachhilfestunden, d. Verf.) ist es zunehmend, die schulischen Leistungen der Kinder und Jugendlichen generell zu verbessern, und nicht mehr nur die Überwindung aktueller Problemlagen. Über ein Drittel der Nachhilfeschüler hat Noten von »drei« und besser. Damit verliert die Verhinderung von Klassenwiederholungen oder die Kompensation schlechter Schulleistungen ihre ursprüngliche Bedeutung für die Nutzung von Nachhilfeangeboten.« 15
Nachhilfe scheint sich also in vielen Fällen zu einer Art Zusatzunterricht zu entwickeln, mit dem Eltern die Chancen ihres Kindes auf einen guten Schulabschluss verbessern wollen.
■ Wann ist Nachhilfe angebracht?
»Vielleicht sollten Sie es mal mit Nachhilfe versuchen«, rät beispielsweise die Englischlehrerin, nachdem die zweite Klassenarbeit im ersten Halbjahr wieder eine Fünf ist. »Die Lücken sind einfach zu groß. Ihre Tochter muss einiges aufarbeiten.« Das ist eine klare Aussage, und der Vorschlag, dieses Aufarbeiten über Nachhilfe zu erledigen, ist sicherlich sinnvoll.
Nachhilfe kann auch dann notwendig sein, wenn Unterricht häufiger ausfällt, wie das leider in vielen Schulen passiert– sowie in all den Fällen, in denen der Unterricht zwar stattfindet, der Lernerfolg aber äußerst mager ist, sei es, weil sich der Lehrer nicht durchsetzen kann und ein Lärmpegel herrscht, der eigentlich das Gewerbeaufsichtsamt auf den Plan rufen müsste, oder weil der Lehrer sich nicht darüber im Klaren ist, dass er einer Schulklasse mit unterschiedlich talentierten Schülern gegenübersteht und nicht vor Studenten einer Eliteuniversität doziert. Hier Abhilfe zu schaffen ist äußerst schwierig. Kein Wunder, dass viele Eltern zu individuellen Lösungen greifen.
Doch bevor Sie nun voller Elan sämtliche Samstagszeitungen wälzen, um in der Rubrik »Unterricht« oder auch im Internet den passenden Nachhilfelehrer zu finden, sollten Sie die Schulprobleme Ihres Kindes gründlich analysieren. Denn Ihnen ist auch klar: Nachhilfe ersetzt in keiner Weise fehlende Motivation und Leistungsbereitschaft. Und ohne diese Faktoren klappt es nicht – auch nicht mit Nachhilfe.
Also beobachten Sie das Lernverhalten Ihres Kindes genau und fragen sich kritisch: Woran hapert es in der Schule? Könnte die Ursache vielleicht ganz einfach Faulheit oder mangelnde Beharrlichkeit sein (bei manchen Aufgaben muss man sich eben durchbeißen!), oder hapert es tatsächlich am Erkennen der Zusammenhänge? Hat die mangelnde Leistung vielleicht tiefer gehende Ursachen? Bei einem völlig überforderten Kind zum Beispiel wird Nachhilfe die Probleme unter Umständen eher noch vergrößern – indem sie verhindert, dass rechtzeitig für eine neue Weichenstellung gesorgt und ein Klassen- oder eventuell sogar Schulwechsel in Erwägung gezogen wird.
Bevor Sie Nachhilfeunterricht vereinbaren, sollten Sie sich also auf alle Fälle mit dem betreffenden Fachlehrer besprechen. Bitten Sie ihn als erfahrenen Pädagogen dabei um eine möglichst realistische Einschätzung der Situation: Hält er es für wahrscheinlich, dass die Defizite Ihres Kindes durch Nachhilfe behoben werden können? Sollte der Lehrer eher skeptisch sein, dass Nachhilfe wirklich der richtige Weg ist, dann fragen Sie nach Alternativen, wie sich seiner Meinungnach die Leistungen Ihres Kindes verbessern lassen. Vielleicht schlägt er Ihnen ja auch die kostengünstigere und manchmal sogar erfolgreichere Lösung vor: konsequentes Üben.
Und nehmen Sie Ihr Kind zu diesem Gespräch mit: Es ist schließlich die Person, um die es geht. Sie sind klug genug, nicht über den Kopf Ihres Kindes hinweg seine Probleme zu schildern. Keine Sorge, auch Ihre Meinung ist gefragt, aber zuerst ist Ihr Kind dran. Es sollte ganz offen über seine Schwierigkeiten mit dem Fach sprechen.
Aber was ist, wenn der Fachlehrer Nachhilfe tatsächlich für einen guten Weg hält, das Kind jedoch sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, weil es zum Beispiel Nachhilfe prinzipiell für peinlich hält und/oder seine Freunde sich vielleicht darüber lustig machen würden? Dann liegt es an Ihnen, Überzeugungsarbeit zu leisten – oder eben auf die Nachhilfe zu verzichten.
► Das Geld für einen
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