Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
wird.
Auf keinen Fall sollte das Thema Sitzenbleiben Gesprächsstoff für die ganzen Sommerferien sein. Machen Sie sich klar, wie sehr das Gefühl, »versagt« zu haben, auch jene Kinder trifft, die nach außen betont cool wirken. In dieser Wunde stochern Sie natürlich nicht noch unnötig herum. Stattdessen machen Sie deutlich, dass es sicherlich wenig erfreulich ist, nicht versetzt zu werden, dass dadurch aber die Welt nicht untergeht. Im Gegenteil, Ihr Kind kann in diesem Jahr solide Grundlagen für die weiteren Schuljahre schaffen, wenn es die Chancen nutzt, die im Wiederholen liegen.
Dazu beitragen kann auch ein verändertes Rollenverhalten, das in der neuen Klasse möglich ist. Ein Wiederholer weiß im Wiederholungsjahr in einigen Fächern eben doch mehr als seine Klassenkameraden. Eher schüchternen Kindern kann das so viel Sicherheit geben, dass sie sich generell mehr zutrauen und so nach und nach ein neues Selbstbewusstsein entwickeln.
■ Manchmal der Weisheit letzter Schluss
»Irgendwann hatte ich den ganzen Zirkus satt und wollte endlich Nägel mit Köpfen machen!«, erklärt eine Mutter zufrieden. »Und jetzt geht es mir viel besser. Vorher war ich nämlich für alles zuständig: Hausaufgaben beaufsichtigen, Vokabeln abhören und natürlich der ganze Stress mit den Klassenarbeiten. Das ist bei zwei Kindern ein unbezahlter Halbtagsjob, besonders vor dem Zeugnis. Und dann immer noch das schlechte Gewissen, wenn die Klassenarbeit doch nicht so gut ausgefallen ist; so, als ob ich schuld sei, weil ich zu wenig mit meinen Kindern gelernt habe.«
Aus diesem Grund hat sie einen Nachhilfelehrer engagiert, dessen professionelle Unterstützung nicht nur die schulischen Leistungen der Kinder verbessert, sondern als willkommene Nebenwirkung auch das angespannte Familienklima entkrampft. Wie diese Mutter handeln viele Eltern, denn einer Studie zufolge erhält fast die Hälfte aller Schüler an Gymnasien Nachhilfe. 14
Falls Sie nicht zu diesem Elternkreis zählen, kennen Sie wahrscheinlich die nachmittäglichen Belastungen: Hausaufgaben kontrollieren, sich selbst vorher erst mal schlaumachen (»Was ist noch mal Kurvendiskussion?«) und auch mit völligüberraschenden Neuigkeiten konfrontiert werden, wie: »Mama, übermorgen schreiben wir Englisch. Kannst du mir da mal schnell was erklären?«, wobei sich das »was« als die Seiten 76 bis 82 im Grammatikbuch entpuppt.
»Kein Problem«, denken Sie höchstens dann, wenn Sie sonst nichts zu tun haben und förmlich danach lechzen, sich endlich mal mit den Nebenflüssen des Rheins und der wichtigen Frage beschäftigen zu dürfen: Was bedeutet elativ, transitiv, intransitiv? Dabei kommt es natürlich ab und zu vor, dass Ihre elterliche Autorität ramponiert wird, wenn Sie sich beispielsweise von Ihrem Nachwuchs anhören müssen: »Was! Das weißt du nicht!«
Weil Sie wissen, wie sich derartige Stolperfallen umgehen lassen, bitten Sie Ihren Sprössling, solch heikle Fragen nicht Ihnen, sondern dem Fachmann oder der Fachfrau in der Schule zu stellen. Das müsste dort zu aller Zufriedenheit erledigt werden, denn dafür werden Lehrer ja schließlich ausgebildet und bezahlt. Aber in der Praxis sieht das leider oft ganz anders aus.
Gewiss können Sie wiederholt an Ihr Kind appellieren: »Frag bitte im Unterricht nach, wenn du etwas nicht verstehst!«, und die meisten Lehrer sind sogar ganz glücklich, wenn ihre Schüler nicht alles abnicken, sondern Fragen stellen – und viele fordern auch ständig dazu auf. Doch leider passiert es eben, dass ein Schüler auch nach der zweiten oder dritten Erklärung nicht versteht, warum er im einen Fall das Perfekt und im anderen das Plusquamperfekt verwenden muss.
Der Schüler, der dann abermals nachhakt – und damit in aller Offenheit zugibt, dass der Groschen bei ihm leider noch immer nicht gefallen ist –, ist äußerst mutig, hat wahrscheinlich Seltenheitswert und bekommt irgendwann garantiert von seinem Lehrer zu hören: »Wir müssen jetzt im Stoff weitermachen. Lies dir bitte die Grammatikregeln/die Formeln/ die Erklärungen etc. daheim nochmals durch.«
Auch verständlich, was der Lehrer da vorschlägt, denn ermuss sein Unterrichtstempo ja an dem Gros der Klasse ausrichten. Wenn eine momentan noch kleine Wissenslücke aber nicht geschlossen wird und immer weitere dazukommen, so wird irgendwann aus dem anfänglichen Spalt ein gefährlicher Krater. Dann ist guter Rat teuer, genauso wie die Nachhilfe, die jetzt retten
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