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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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Ein paar Meter weiter erblickte er, durch verkümmerte Bananenstauden und einen Lavahügel halb verdeckt, einen Hühnerstall. Hinter dem notdürftig ausgebesserten Maschendrahtzaun scharrten zwei Hennen geschäftig im sandigen Boden.
    Er kehrte zum Haus zurück, leuchtete mit seiner Stablampe durch den Spalt eines der Fensterläden und presste sein Auge an die Öffnung. Der Lichtstrahl traf auf einen leeren Tisch, neben dem eine längliche Trommel lag. Er schnupperte, als ihm der schwache Duft von Magnolien in die Nase stieg. Die hintere Wand war mit einem naiven Fresko bemalt: Ein Mann mit rotem Hut führte an einem Strick zwei weiß gekleidete Personen, deren Häupter wie die von Büßern unter Kapuzen verborgen waren. Der Inspektor lenkte den Lichtstrahl nach rechts und erblickte nun die düstere Seite des Gemäldes: Das andere Ende des Stricks, den der Mann mit dem roten Hut in der Hand hielt, kam aus einer Gruft.
    Ein jäher Windstoß fuhr durch die Lavaschlucht, wühlte in den Blättern der Bananenstauden und trug einen beißenden Geruch zu Sénéchal. Den Geruch von Verwesung.
    Der Umweltinspektor nahm das alte Gewehr und entsicherte es.
 
    Das Maul der Ziege stand weit offen. Das Euter baumelte kümmerlich an ihrem aufgeblähten Bauch. Ein Stahlkabel war im Fell an ihrem Hals zu erkennen. Das Tier hing an einem dicken Ast mehrere Meter über dem Boden. Geronnenes Blut klebte an seiner Brust. Sénéchal wich zurück: Der Gestank war unerträglich. Mit einem Mal verschwand der schauderhafte Geruch wieder, der aufkommende Wind trug ihn davon. In der Ferne vernahm er ein donnerähnliches Grollen. Der Vulkan. Na klar, es ist der Vulkan, der da oben rumpelt.
    Sénéchal näherte sich dem verschlungenen metallenen Gebilde, das er zuvor entdeckt hatte. Ein verrostetes Gerippe aus zusammengeschraubten, verbogenen Stahlträgern, das neben den Teilen eines zerlegten Hebekrans an der Granitmauer stand. Stellenweise hatten sich Lianen darumgewunden. Ein Stück weiter hinten waren verschieden lange, verrostete Eisenbahnschienen ordentlich auf modernden Holzschwellen gestapelt. Neben mehreren Loren, die auf die Seite gekippt waren, lag eine Eisenleiter am Boden. Sénéchal steuerte auf den Bogen der Eisenbahnbrücke zu. Die ehemals glühende Lava hatte sich über die riesigen Stahlträger und die Schienen ergossen, die sich unter der gewaltigen Hitze verformt hatten.
    Er ging um das Ganze herum. Die Lok stand weiter unten in einer Senke. Ein steinerner Überhang hatte sie wie ein Schutzschild vor den Lavafluten bewahrt. Lianen überwucherten den nutzlos gewordenen Schornstein. Wurzeln sprossen in ihrem rostigen Eisengerippe. Süßsaure chemische Gerüche erfüllten die Luft. Die Tür zum Feuerraum, in dem Tonnen von Kohle und ganze Akazienwälder verbrannt worden waren, stand halb offen, als hätte sie Maulsperre. Jeder Zentimeter der Dampflok war verrostet. Die braunen Teile fühlten sich unter Sénéchals Hand rau und trocken an. Auch hier keine Spur von Schmieröl. Enttäuscht fluchte der Umweltinspektor vor sich hin.
    Mit einem Mal wurde der Wind stärker, Staub wirbelte auf und brannte ihm in den Augen. Schimpfend wischte er sich mit der freien Hand über sein Gesicht. In dem Moment, als eine heftige Windböe unter seinen Mantel fuhr, vernahm er irgendwo unter sich ein dumpfes Tosen. Er horchte ... Der Vulkan? Nein, diesmal nicht. Was ist das? Das Tosen schwoll langsam an. Es glich einer zornigen Stimme, die nach und nach tiefer wurde und schließlich verstummte. Sénéchals Mantelschöße senkten sich träge. Schauer liefen ihm über den Rücken ... Er lauschte angestrengt, doch nun war nichts mehr zu hören. Dann eine erneute Windböe. Auch das Tosen setzte wieder ein ... Der Wind. Das ist der Wind. Aber woher kommt er eigentlich?
    Sénéchal betrachtete den Lavahügel, der die Brücke vor ihm bedeckte. Er spitzte die Ohren. Es kommt von da drinnen. Aus dieser erstarrten Lavakuppel, die einen Teil der alten Brücke unter sich begraben hat ... Es klingt wie ein großes Rohr ... Ein natürlicher Kamin? Aber wo genau tritt die Luft ein?
    Er näherte sich dem Gebäude aus Stein, drückte das Ohr an die Wand und wartete. Ein Luftzug wirbelte durch die Lokomotive hinter ihm, kräuselte das gelbe Gras, wurde mit jeder Sekunde stärker. Wieder vernahm Sénéchal das Tosen, das mit dem Umschlagen des Windes zu einem kräftigen »Oooooooom« anschwoll. Es kam ganz aus der Nähe, gleich hinter der Wand aus Lava, ein Geräusch

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