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H2O

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Titel: H2O Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patric Nottret
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Öffnung mit der Leiter, aus der ein schwacher Lichtschein auf die Lok fiel. Schließlich drehte er sich um und ging mit äußerster Vorsicht auf den Waggon zu.
    Er näherte seine Taschenlampe einem der Fenster und stellte fest, dass alle von innen mit Brettern vernagelt worden waren. Auf dem Holz waren runde Schimmelflecken zu sehen. Hinter dem Wagen entdeckte er einen einsamen Weichenhebel. Dann kam nur noch das Dunkel des Tunnels.
    Sénéchal versuchte bis ans Ende zu leuchten, doch der Lichtstrahl der Lampe vermochte die Finsternis nicht so weit zu durchdringen. Er kniff die Augen zusammen: Ein Schatten schien vorzurücken, dann zurückzuweichen, mit dem Stein zu verschmelzen und schließlich ganz zu verschwinden. Wie weit mochte das Gleis wohl reichen? Vermutlich gab es eine weitere Öffnung nach draußen, die das Windgeräusch erklären würde.
    Er stieg auf das Trittbrett am Ende des Waggons und drückte vorsichtig den Griff. Die Tür bewegte sich ohne das geringste Quietschen. Dahinter war alles schwarz.
 
    Eine kräftige Mischung verschiedener Gerüche stieg ihm in die Nase. Er richtete Taschenlampe und Gewehrlauf nach vorne und prallte zurück: Wenige Schritte vor sich sah er ein Marmorkreuz, auf dem ein zahnloser menschlicher Schädel mit Sonnenbrille und einem schlaffen Strohhut steckte. Den Tisch neben dem Kreuz bedeckte ein Durcheinander verschiedener Gegenstände, umgeben von einem Kreis heruntergebrannter Kerzen. Im Licht seiner Lampe blitzten billige Plastikspiegel und zwei Blechteile auf. Sénéchal schloss die Tür behutsam hinter sich. Benommen von den Gerüchen, begutachtete er die Gegenstände auf dem Tisch. Ein Hühnerfuß, ein riesiger Holzphallus, Ziegenhörner, eine Zelluloidpuppe, die kopfunter aufgehängt war, Muschelschalen, eine alte Petroleumlampe mit zerbrochenem Glas, ein Haufen kleiner Knochen (so einen hatte Madame Hoareau am Hals ihrer Vogelscheuche gefunden), sorgfältig verschnürte Päckchen, ein roter Lappen mit einem Knoten und zwei Trockenfrüchte. Dann noch ein Gegenstand, der ihn verblüffte: Es war eine kleine Fellkugel, aus der ein winziger Unterkiefer hervorlugte, der einem Nagetier gehört hatte - einer Maus oder einer Ratte.
    Der Umweltinspektor leuchtete in den hinteren Teil des Waggons: Alle Sitze waren entfernt worden, nachlässig zusammengefügte Bretter, die knallrot bemalt waren, bedeckten die Wände. Die gewölbte Decke war in derselben grellen Farbe gestrichen. Auf dem nackten Metallboden reihten sich Dutzende Flaschen und durchsichtige Behälter aneinander.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe glitt rasch über einen Weidenkorb, der in einer Ecke stand, und blieb dann an einem frommen Bild hängen, auf dem ein blondes Kind zärtlich ein Lamm umarmte. Eine Bildunterschrift besagte, dass es sich um Johannes den Täufer handelte.
    Es herrschte völlige Stille. Das Heulen des Windes im Tunnel war verstummt. Sénéchal stellte das Gewehr ab und näherte sich einer Wand, um ein Bild zu betrachten, auf dem ein Respekt einflößendes Skelett mit großen schwarzen Augenhöhlen dargestellt war, das Frack und Zylinder trug und auf einem nächtigen Gartenweg Blut urinierte. Trotz der naiven Darstellung empfand der Inspektor ein deutliches Unbehagen.
    Sénéchal zog ein Paar Latexhandschuhe aus seiner Tasche und streifte sie über. Die vollständige Inspektion des Waggons nahm nur wenig Zeit in Anspruch. Er schnupperte am Hals einer der Flaschen, die am Boden standen. Alle waren mit Korken verschlossen, in den meisten waren irgendwelche Kräuter angesetzt. Einige rochen würzig, andere süß oder bitter. Alle waren völlig staubfrei. In den Behältern befanden sich Kräuter, getrocknete Blätter und Blumen, Körner und Pulver in verschiedenen Farben. Der Umweltinspektor rührte nichts an.
    Nun wandte er sich wieder dem Durcheinander auf dem Tisch neben dem Kreuz zu und inspizierte den Schädel, der offenbar alt war. Er nahm den Hühnerfuß zwischen Daumen und Zeigefinger, untersuchte ihn und nickte dann wissend.
    Schließlich machte er die Taschenlampe aus und verharrte lauschend in der Finsternis. Als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, öffnete er langsam die Waggontür. Er schaltete die Lampe wieder ein und stieg, nachdem er die Tür geräuschlos geschlossen hatte, von dem Waggon hinab. Das Gewehr in der Hand, drang er in den Tunnel vor.
 
    Seine Schritte klangen gedämpft, da der Lavastaub recht weit in den Tunnel vorgedrungen war. Nach wenigen Metern sah

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