Haarmanns Kopf
Serientäter zu tun hätten“, erklärte Dr. Paganetti.
„Wie ist das zu verstehen?“, fragte Martin erstaunt.
„Bei mehreren Opfern und demselben Täter ließe sich ein Täterprofil erstellen. Bei einem Opfer ist das fast nicht möglich. Derzeit lässt sich kein Verhaltensmuster ableiten, kein Modus Operandi. Es gibt keine spezifische Signatur. Die vorgefundene Vorgehensweise des Täters kann zufällig gewählt oder entstanden sein.“
„Das ist alles sehr interessant“, sagte Martin. „Sie dürfen aber versichert sein, dass wir durchaus mit den neuesten Erkenntnissen und Methoden der Kriminalistik vertraut sind und auch wissen, wie ein Täterprofil entwickelt wird.“
„Ich wollte Ihnen auch nicht zu nahe treten. Verzeihen Sie, bitte. Aber Sie haben mich schließlich nach meiner Einschätzung gefragt. Im Übrigen hatte ich Ihnen ja eingangs bereits erklärt, dass es mehr Psychopathen gibt, als man vermuten würde. Einige von ihnen arbeiten in den allerhöchsten Positionen der Geschäftswelt. Hier finden sie fast alles, was sie interessiert: Geld, Macht, Kontrolle über andere Menschen. Man trifft sie in der Politik, im Gesundheitswesen und in den Medien. Intelligente Psychopathen sind häufig sehr erfolgreiche Menschen. Ich bitte auch hier, das richtig zu verstehen. Nicht jeder Psychopath wird zum Mörder. Um Ihre Frage nach der Intelligenz zu beantworten, gilt das Folgende: Bezogen auf Serienmörder lässt sich sagen, dass sie mäßig bis durchschnittlich intelligent sind. Die meisten Opfer suchen sie innerhalb ihrer Wohnumgebung in einem Radius von 30 Kilometern. Aber wie es aussieht, haben wir es ja hier nicht mit einem Serienmörder zu tun.“
„Die Intelligenz reichte jedoch nicht aus, um zu wissen, dass wir ihm mithilfe der DNA-Analyse auf die Spur kommen würden“, bemerkte Martin.
„Da wäre ich etwas vorsichtiger. Wer sagt Ihnen denn, dass das Ganze nicht ein Ablenkungsmanöver sein sollte?“
„Ablenkungsmanöver? Das müssen Sie etwas genauer erklären.“
„Kann es nicht sein, dass der Täter ganz bewusst die Bisswunde des Opfers mit dem Speichel eines anderen präparierte?“
„Wenn das so wäre, was ist dann mit den Haaren und den Hautpartikeln?“, warf Yannik ein.
„Auch das kann ein geschickter Täter arrangieren“, sagte Dr. Paganetti.
„Und aus welchem Grund sollte der Täter den Verdacht ausgerechnet auf einen Inhaftierten lenken?“, fragte Martin. „Womit wir auch beim eigentlichen Grund unseres Besuchs wären. Wir würden jetzt gerne mit Dembowski reden.“
„Kein Problem“, sagte Dr. Paganetti. „Wenn Sie mir dann bitte folgen würden...“
6
Dembowski war ein hagerer, unscheinbarer Typ. Ein unauffälliger Mann, auf der Straße wäre man achtlos an ihm vorübergegangen. Er saß an einem Tisch, vor sich einen Becher mit Kaffee .
In dem lichtdurchfluteten Besucherraum der Station A der Animus-Klinik herrschte eine sterile Atmosphäre. Linoleumboden, helle Holzmöbel, Panzerglasscheiben.
Das Erste, was Martin ins Auge fiel, waren die dicke Steppweste und eine Schirmmütze, die Dembowski trug, obwohl es in dem Raum sehr warm war. Beides war mit Emblemen des VfL Wolfsburg versehen. Das Zweite waren die dicken Brillengläser, die seine blauen Augen zu vergrößern schienen.
„Guten Morgen, Herr Dembowski“, begrüßte Dr. Paganetti seinen Patienten, als sie den Raum betraten.
„Moin“, grüßte Dembowski knapp.
Martin und Yannik nahmen auf der anderen Seite des Tisches Platz. Dr. Paganetti wählte einen Stuhl direkt neben Dembowski.
„Herr Dembowski, ich hatte Ihnen ja bereits gestern erklärt, worum es geht. Ist es in Ordnung, wenn die beiden Herren Ihnen einige Fragen stellen?“, begann Dr. Paganetti das Gespräch.
Dembowski kratzte sich hinter dem Ohr. Er war sichtlich nervös.
„Sie brauchen sich nicht zu ängstigen. Das ist eine reine Routinemaßnahme“, beeilte sich Dr. Paganetti zu ergänzen.
„Ich werde wohl kaum etwas dagegen haben können, oder?“, antwortete Dembowski mit hoher, belegter Stimme, die den Raucher verriet.
„Herr Dembowski“, sagte Martin, „um nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Wir ermitteln in einem Mordfall. An dem Opfer wurden DNA-Spuren des mutmaßlichen Täters gefunden. Und der von uns durchgeführte DNA-Abgleich sagt, dass die DNA von Ihnen stammt. Haben Sie dafür eine Erklärung?“
„Nee, die habe ich nicht“, antwortete Dembowski. „Wieso lasst ihr mich nicht einfach in Ruhe? Habe
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