Haarmanns Kopf
Gespräch teilnahmslos gefolgt war, begleitete Dembowski zurück in seine Zelle.
„Unsere Fragen sind keineswegs beantwortet“, sagte Martin, nachdem Dr. Paganetti aufgestanden war und sich verabschieden wollte.
„Ich muss leider zu einem Patienten ...“, entgegnete der Arzt.
„Nehmen Sie bitte noch einen Augenblick Platz, Herr Doktor“, sagte Martin bestimmt. „Es wir nicht lange dauern.“
Dr. Paganetti kam der Aufforderung nach und setzte sich. Sein Gesichtsausruck hatte sich verfinstert. „Also gut. Ein paar Minuten haben wir noch. Was möchten Sie denn noch wissen?“
„Es ist doch offensichtlich, dass unser Problem noch nicht gelöst ist. Wir haben mehr Fragen als Antworten. Ich will nicht dem Ergebnis des DNA-Vergleichs vorgreifen, aber eine der zentralen Fragen muss beantwortet werden. Wie kam die DNA an den Tatort, wenn Dembowski nicht dort war?“
„Ich kenne die Antwort nicht“, erklärte Paganetti. „Ich kann Ihnen nur sagen, dass Dembowski die Klinik nicht verlassen hat und zum Zeitpunkt des Mordes hier war.“
„Wir benötigen dringend eine Liste mit allen Personen, die Zugang zu Dembowski haben. Uns fehlt noch die zugesagte Liste mit den Namen der Pfleger, die in der Nacht zum Montag dieser Woche Dienst hatten. Die Liste benötigen wir sofort“, sagte Martin.
„Ich kläre das gleich mit Schwester Ingrid. Vermutlich liegt die Liste schon auf meinem Schreibtisch“, antwortete Paganetti.
„Sie werden verstehen, dass wir mit jeder der aufgeführten Personen ein Gespräch führen müssen“, sagte Martin.
„Was versprechen Sie sich davon?“
„Wir müssen jeder Möglichkeit nachgehen. Dazu gehört auch die Überprüfung aller Personen, die in direktem Kontakt mit Dembowski stehen. Ich habe aber noch eine ganz andere Frage.“
„Und die wäre?“
„Mir fiel auf, dass Dembowski nicht das kleinste Anzeichen von Reue zeigt, wenn er auf seine früheren Taten angesprochen wird.“
„Reue …“, antwortete Paganetti. „Reue ist ein großes Wort. Psychologisch gesehen ist Reue das nachhaltige Bedauern der eigenen Schuld wegen einer Tat oder Unterlassung, die ihr Urheber im Nachhinein als verwerflich beurteilt und sich selber vorwirft. Etwas zu bereuen ist nicht damit zu verwechseln, dass man sich wegen einer Handlung schämt.“
„Sie wollen doch jetzt nicht allen Ernstes behaupten, dass sich Dembowski schämt“, warf Martin ein.
„Nein. Dembowski verhält sich so wie die meisten Täter. Die erste Reaktion ist in der Regel ein Rückzug aus dem Kontakt mit anderen. Bedenken Sie bitte, dass Menschen mit antisozialen Persönlichkeitsstörungen nicht oder kaum zur Reue fähig sind. Im Rahmen der Therapie versuchen wir ihn dahin zu bringen, dass er sich öffnet. Erst, wenn das gelingt, wird er so etwas wie Reue empfinden können.“
Martin und Yannik verbrachten noch mehr als zwei Stunden in der Klinik. Das Verhör der Pfleger und Angestellten brachte jedoch keine verwertbaren Erkenntnisse. Sie machten sich auf den Rückweg und trafen um 13:15 Uhr im Polizeipräsidium ein. Sie veranlassten, dass die Speichelprobe Dembowskis ins Labor gebracht wurde und versorgten sich auf dem Weg in ihr Büro noch mit Kaffee.
*
Donald Kettner näherte sich dem Haupteingang der Animus-Klinik für forensische Psychiatrie, durch den vor gut einer Stunde die beiden Polizeibeamten das Gebäude verlassen hatten. Seinen BMW hatte er auf einem Waldweg so geparkt, dass er vor allzu neugierigen Blicken geschützt war. Von dort aus hatte er beobachtet, wie der VW Passat die Torzufahrt passiert hatte und dann dem Straßenverlauf in Richtung Ringelheim gefolgt war. Dann hatte er eine weitere Stunde vergehen lassen. Um 13:25 Uhr hatte er die Dienstnummer Martin Vennekers gewählt, die in seinem Handy gespeichert war. Als sich der Polizeibeamte gemeldet hatte, hatte er sofort die Verbindung unterbrochen. Er konnte jetzt sicher sein, dass die beiden Beamten nicht zurückkehrten. Der Journalist hatte sich längst angewöhnt, mit Rufnummernunterdrückung zu telefonieren. Und das hatte sich vielfach bewährt.
Kettner drückte die Türglocke und wartete ab. Nach kurzer Zeit zeigte sich hinter der Glasscheibe der Zugangstür ein Pfleger und öffnete die Tür. Er war weiß gekleidet, mittelgroß, trug die braunen Haare zu einem Zopf zusammengebunden und hatte einen Dreitagebart. Auf der Brusttasche seines Hemdes war ein Aufnäher mit seinem Namen angebracht: Olaf Schröder .
„Guten Tag, Herr
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