Haarmanns Kopf
Einmal am Mittwoch von 17:45 Uhr bis 18:30 Uhr und danach am Donnerstag um 10:30 Uhr. Ab 10:40 Uhr konnte sein Handy nicht mehr geortet werden.“
„Was folgern wir daraus?“
„Entweder hat er das Gerät komplett ausgeschaltet, oder ...“
„Es wurde von jemandem ausgeschaltet. Wenn es nicht mehr geortet werden konnte, hat jemand die Batterien entfernt.“
„Hier ist noch was Interessantes. Kurz vor dem Verschwinden des Signals erhielt er einen Anruf von Paganetti. Was wollte der von ihm?“
„Das soll er uns morgen beantworten. Ich bin schon gespannt auf seine Antwort.“
„Auf jeden Fall werden wir jetzt ein paar Dinge vorbereiten. Ich kümmere mich um den Durchsuchungsbeschluss für die Animus-Klinik und den Haftbefehl für Dembowski.“
„Du willst einen Haftbefehl beantragen?“
„Ja. Wir müssen dafür sorgen, dass Paganetti keine Kontrolle mehr über ihn hat. Der ganze Fall entwickelt sich langsam aber sicher zu einer Situation mit zu vielen Unbekannten. Wir haben jetzt neben den beiden Morden auch noch – zu allem Überfluss – zwei vermisste Personen. Zu einer dieser Personen hatte Paganetti vor deren Verschwinden direkten Kontakt.“
„Und was ist mit Dembowski?“
„Der muss raus aus dem Einflussbereich Paganettis. Ich bin sicher, dass er reden wird. Aber dazu brauchen wir ihn hier.“
„Okay, verstehe ich soweit alles. Dann kümmere ich mich um den Antrag auf Überwachung der Handys von Paganetti und Kettner. Richtig?“
„Ja, und um die GPS-Ortung von Kettners Fahrzeug. Und dann sollten wir uns morgen auf jeden Fall mal den Rastplatz an der A7 ansehen. Vielleicht finden wir dort irgendwas. Wir fahren morgen ja ohnehin dort vorbei, auf dem Weg nach Ringelheim.“
*
Mit zunehmender Dunkelheit hatte starker Regen eingesetzt, der von ungleichmäßigen Windböen gegen die Fenster des alten Bauernhauses gepeitscht wurde. Dicke Regentropfen prasselten auf ein kleines Dachfenster, das nur einen Spalt weit geöffnet war. Der kräftige Wind rüttelte an einer undichten Stelle der gegenüberliegenden Gaube und pfiff dabei durch das Gebälk des morschen Dachstuhls. Wassertropfen tropften monoton in einen Blecheimer, der unter einer Schräge stand.
Der Präparator wälzte sich unruhig in seinem Bett, rieb sich die Augen und reckte sich. Da er ohnehin keinen Schlaf finden konnte, stand er auf und schloss das Dachfenster. Er ging hinunter in die Stube im Erdgeschoss, schaltete das Licht ein, öffnete die Tür eines wuchtigen Holzschranks und entnahm diesem eine unscheinbare Pappschachtel, die er auf dem Tisch, in der Nähe der Küchentür, abstellte. Vorsichtig öffnete er die Schachtel und nahm eine Plastikbox heraus, die mit einem Deckel verschlossen war.
Voller Stolz schob er die Pappschachtel beiseite und stellte den Behälter daneben ab, um in aller Ruhe den Inhalt betrachten zu können. Der Lichtschein der über dem Tisch hängenden Lampe fiel auf eine einstmals lebendige graue Masse – das Gehirn eines seiner früheren Opfer, eingelegt in Formalin.
Es war ihm zu einer Passion geworden, verschiedene Relikte seiner umfangreichen Sammlung in stillen Augenblicken ausführlich zu betrachten. Gerade der Aufbau des menschlichen Gehirns übte eine besondere Faszination auf ihn aus. Er hatte in einem Buch über die Anatomie des menschlichen Körpers gelesen, dass das Gehirn 20 % der Energie verbraucht, dabei aber nur 2 % des Körpergewichts ausmacht und dass die Anzahl der Nervenzellen auf 1 Billion geschätzt wurde.
Faszinierend, dachte er.
Plötzlich vernahm er einen gellenden Schrei. „Hiiilfe“, hallte es die Kellertreppe hinauf.
Das erinnerte ihn daran, dass noch eine weitere Aufgabe auf ihn wartete.
Was sprach dagegen, diese noch in der Nacht zu erledigen?
Er begab sich in den Keller, durchquerte den kleinen Flur und den Präparationsraum und öffnete die Tür an der Stirnseite. Nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, betrachtete er seinen Gefangenen. Schröder lag vollkommen ruhig und still auf dem Tisch. Sein Gesicht wirkte wie eine von entsetzlichen Schmerzen verformte Fratze. Die Hände ruhten neben seinem Körper, die Finger in einer eigenartigen klauenhaften Bewegung erstarrt.
Der Präparator erkannte sofort, was geschehen war. Schröders Herz hatte aufgehört zu schlagen, der letzte Atemzug getan und das Leben ausgehaucht.
Sekundenlang schaute er in Schröders weitaufgerissene leblose Augen und glaubte, darin den gebrochenen Glanz des Endlosen, die
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