Haarmanns Kopf
Wissenschaftler eines renommierten Instituts hat die neuesten Ergebnisse seiner Arbeit vorgestellt. Danach lässt sich die DNA monozygotischer Zwillinge sehr wohl unterscheiden. Er führte aus, dass sich anhand des von ihm entwickelten Verfahrens ab sofort nachweisen lässt, dass eineiige Zwillinge genetisch nicht identisch sind. Bisher konnten Gentests nicht mit Bestimmtheit nachweisen, welcher der Zwillinge beispielsweise eine Straftat begangen oder der Vater eines Kindes ist. Eineiige Zwillinge konnten also die Identifizierung ins Leere laufen lassen.“
„Was auch heißt, es konnte keiner zur Verantwortung gezogen werden. Und genau das ist auch unsere Befürchtung im aktuellen Fall.“
„Sie sagten aber gerade, dass noch gar nicht feststeht, ob es sich in Ihrem Fall um eineiige Zwillinge handelt. Vielleicht kann ich Sie beruhigen, denn eineiige Zwillinge sind wirklich sehr selten. Das trifft nur auf sechs von tausend Zwillingspaaren zu.“
„Das ist wirklich sehr beruhigend. Um ganz ehrlich zu sein, wir dürften eigentlich gar nicht mit Ihnen darüber reden.“
„Wieso nicht?“
„Weil die Art und Weise, wie wir an diese Informationen gelangt sind … nun ja, nicht ganz gesetzeskonform ist.“
„Verstehe. Aber bei dem Problem kann ich Ihnen wirklich nicht helfen.“
„Sagen Sie, Herr Doktor, wird dieses neue Verfahren denn überhaupt von den Gerichten anerkannt?“
„Gute Frage“, sagte Ebeling. „Auch dazu hat der Kollege etwas ausgeführt. Warten Sie bitte einen Augenblick. Ich schaue mal eben nach, wo ich die Unterlagen habe.“
Ebeling holte aus einem Sideboard einen schmalen Aktenordner und blätterte darin.
„Ah, hier ist es. In einem Urteil des Oberlandesgerichts Celle im Januar dieses Jahres wurde das Problem für den Nachweis einer Vaterschaft verhandelt und festgestellt, dass es bislang noch kein erprobtes Verfahren gibt, weswegen in dem verhandelten Fall die beklagten eineiigen Zwillinge auch die Abgabe einer Spermaprobe wegen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung verweigerten.“
„Das heißt, das Verfahren ist noch nicht anerkannt“, stellte Martin nüchtern fest.
„Derzeit nicht, aber das kann sich schnell ändern. Auf jeden Fall ist es so, dass es in der biologischen Welt keine wirkliche Identität gibt. Und das war bereits vorhergesagt worden. Es fehlte bisher nur der wissenschaftliche Beweis, dass es eine Mutation geben müsste, die im Vater und im Kind, aber nicht in dem anderen Zwilling, vorhanden ist. Ich will Sie nicht mit wissenschaftlichen Details langweilen. Das Verfahren, um extrem seltene Mutationen nachzuweisen, nennt man ‚ultratiefe Sequenztechnik‘ . Und was für Sie noch von Bedeutung sein könnte: Es ist weder eine Spermien- oder Blutprobe erforderlich. Eine Speichelprobe reicht vollkommen aus. Das Institut bietet den Test auch Behörden, Gerichten und sogar Privatpersonen an.“
„Trotzdem, das setzt immer das Einverständnis der betroffenen Personen voraus, und die haben wir in diesem Fall nicht. Im Moment gehen wir sogar davon aus, dass Dembowski gar nicht weiß, dass er einen Zwillingsbruder hat. Und wir dürften es eigentlich auch nicht wissen. Stimmt’s, Herr Kollege?“
Yannik nickte und schloss sein Notizheft.
„Wie soll’s jetzt weitergehen? Was haben Sie vor?“, fragte Dr. Ebeling.
„Wir werden jetzt nach Ringelheim fahren, um noch einmal mit Dr. Paganetti zu reden“, sagte fragte Martin. „In dem Zusammenhang eine letzte Frage an Sie, Herr Doktor. Können Sie sich vorstellen, dass Paganetti Feinde hat?“
„Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen. Aber das fragen Sie ihn doch am besten selbst. Ich hatte Ihnen ja schon einmal gesagt, wir haben uns aus den Augen verloren und seit Jahren keinen Kontakt mehr.“
Martin und Yannik bedankten sich bei Ebeling und machten sich auf den Weg nach Ringelheim.
Sie erreichten die Animus-Klinik um 10:30 Uhr. Der Pfleger, der ihnen die Tür öffnete, weigerte sich zunächst, Sie zu Dr. Paganetti zu bringen, denn dieser hatte ihn angewiesen, die beiden Beamten auf keinen Fall hereinzulassen. Martin aber bestand darauf, mit Dr. Paganetti zu sprechen. Der Pfleger wusste keinen anderen Rat und rief den Arzt noch einmal an.
Martin nahm ihm den Hörer aus der Hand. „Hier ist Martin Venneker. Guten Tag, Herr Dr. Paganetti. Wir möchten ...“
„Tut mir leid, das zu sagen, aber ohne meinen Anwalt spreche ich nicht mehr mit Ihnen. Wir können einen Termin vereinbaren“, sagte
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