Hab ich selbst gemacht
in mich hinein und denke: ›Na also, ich kann’s ja doch.‹
Fünf Stunden lang sitzen wir so da und nähen, dann verschwindet einer nach dem anderen in der Werkstatt. In einer Unterdruckpresse werden die mit Kunststoff eingestrichenen Gummisohlen bombenfest mit den Schuhen verbunden. Eine weitere Maschine entfernt aus allen Schuhen den Leisten. Mit einer Schneide-, einer groben und einer feinen Schleifmaschine glättet Toni dann die rauen Kanten meiner Schuhe, und endlich sehen sie aus wie echte, wunderschöne Schuhe.
Ein bisschen ärgert mich, dass wir zum Schluss doch noch so viele Maschinen gebraucht haben, und ich frage Toni, wie viele Tage mehr wir benötigt hätten, wenn wir wirklich alles mit der Hand gemacht hätten. Er sagt: »Früher hat man die Kanten mit dem Messer beschnitten und mit einer Glasscherbe geglättet. Ich denke mal, wir hätten noch zwei Tage länger arbeiten müssen.« In einem Wochenkurs wäre es also durchaus möglich gewesen, sowohl das Oberleder meiner »Klox« selbst zuzuschneiden und zusammenzunähen, als auch zum Schluss die Sohle noch selbst zu bearbeiten.
Andererseits halten wir dadurch nur wenige Stunden nach dem letzten Stich unsere fertigen Schuhe in den Händen, undso ist das Schuhemachen auch etwas für Menschen, die noch nie in ihrem Leben genäht oder etwas gebaut haben. Nur einen Nagel sollte man halbwegs gut treffen können.
Hier stehe ich jetzt: meine neuen Schuhe in der Hand, frisch eingefettet und nach erfolgreicher Anprobe. Ich kann einfach die Finger nicht vom Leder lassen. So weich. So zart. So schön. Ich liebe diese Schuhe!
Die habe ich nämlich selbst gemacht.
Meine Fingerkuppen können es bezeugen.
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Tag 37
Stricken in der Endlosschleife
Die ganze Woche habe ich zu Hause meine neuen Schuhe getragen, die ganze Woche habe ich sie verliebt angeschaut. Die habe ich selbst gemacht! Ich bin so stolz auf mich. Ich rufe die beste Freundin an, um ihr mitzuteilen, wie stolz ich auf mich bin.
»Magst du vielleicht mal vorbeikommen und meine neuen Schuhe anschauen?«, frage ich sie.
»Wenn du mir dann Stricken beibringst?«, fragt sie zurück.
»Wie kommst du denn jetzt darauf, wir haben doch gerade über meine tollen neuen Schuhe gesprochen.«
»Schon klar. Aber wenn ich vorbeikomme, bringst du mir Stricken bei«, sagt sie. Das habe sie schon immer lernen wollen, und außerdem würde ihr ein kontemplatives Hobby guttun – jetzt, da sie in ihrem neuen Job als Projektleiterin »ständig Menschen anmotzen muss«. Und wenn ich für mein »komisches Experiment« sowieso meine Strickkenntnisse auffrischen müsse, wie ich doch letzte Woche erst lautverkündet hätte, könne ich das doch auch gleich mit ihr zusammen machen.
Richtig. Das Wichtigste ihrer Überlegung ist aber der Punkt, dass ich selbst erst mal ein paar Sachen wieder lernen muss. Ich kann linke Maschen stricken, rechte Maschen auch, und ich glaube mich zu erinnern, wie man Maschen abnimmt, also die allerletzte Reihe strickt.
Ich habe schon ziemlich früh Stricken gelernt, mit acht oder neun Jahren. Allerdings kann ich ausschließlich geradeaus stricken, das heißt: Schals. Ich weiß nicht, wie man ein Strickstück breiter oder schmaler werden lässt, deswegen faszinieren mich zum Beispiel selbst gestrickte Pullover, für die erst einmal einzelne Teile mit Kurven und Ecken gestrickt werden müssen, damit Ärmelausschnitt und Ärmel auch ineinanderpassen.
Und das Maschen-Aufnehmen ist ein Problem: die Prozedur, wie aus Wollfaden, Stricknadeln und ausladenden Handbewegungen mit abgespreizten Fingern die erste Reihe Maschen wird.
Ich weiß nicht, wie man diese erste Reihe macht. Wenn ich mir früher etwas stricken wollte, ging ich zuallererst zu meiner Mutter, drückte ihr Nadeln und Wolle in die Hand und sagte: »Bitte!« Ich sagte ihr noch, wie viele Maschen breit das Ganze werden sollte, und meine Mutter legte los. Wenn sich nach ein paar Reihen herausstellte, dass zum Beispiel die Stulpen niemals um ein menschliches Handgelenk passen würden, ribbelte ich das Gestrickte wieder auf, ging erneut zu meiner Mutter und ließ mir eine neue, breitere erste Reihe stricken. Das blieb so bis Anfang 20, als ich mir mein bis heute letztes Strickstück, einen »coolen« Endlosschal strickte, den ich – nebenbei bemerkt – dann doch nur zwei Mal trug.
Klar, meine Mutter hat mir unzählige Male gezeigt, wie man Maschen aufnimmt. Aber es erschien mir zu kompliziert, um es mir zu merken. Und als ich jetzt
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