Hab ich selbst gemacht
Brotjob«. Klingt für mich mittlerweile eher nach keiner guten Idee. Zumindest nicht für mich.
Vor ein paar Monaten gab es in der New York Times ein Porträt der Designerin Yokoo Gibran, die voluminöse Stricksachen, vor allem Schals, verkauft – und damit nicht nur ein richtiges Business aufgezogen hat, sondern sogar zu einigem Wohlstand gekommen ist. Einige ihrer Teile werden über die US – amerikanische Textilkette »Urban Outfitters« verkauft, in der Etsy.com – und der Selbermach-Community ist sie einStar. Allerdings strickt sie auch 16 Stunden am Tag und hat nie Urlaub. Und der Arbeitsplatz, den sie für ihre Selbermach-Karriere hingeschmissen hat, war »nur« eine Anstellung in einem Copyshop. Ich glaube, ich hätte weniger Probleme, einen Kopierladenjob hinzuschmeißen, als meinen Beruf aufzugeben.
Aber abgesehen von allen finanziellen Gedankenspielereien bin ich vor allem nicht sicher, ob ich die Seifen überhaupt verkaufen will. Etwas herzustellen, weil man damit Geld verdient, ist ja etwas fundamental anderes, als es herzustellen, weil es Spaß macht und weil man anderen damit eine Freude machen kann. Ich stelle mir jetzt schon vor, zu Weihnachten die Seifen hübsch verpackt unter den Weihnachtsbaum zu legen, und freue mich auf die Gesichter, die die Beschenkten machen werden, über neun Monate im Voraus.
Und überhaupt ist meine Laune gerade ganz hervorragend. Denn das Seifemachen war lustig. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, das steht schon fest. Es ist faszinierend – so faszinierend, wie ich dachte, dass es Chemie nie sein könnte, als ich das Fach in der elften Klasse mit einer 4 im Zeugnis abgewählt habe.
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Tag 82
Mit einer Katze vor dem Ofen
Eine links. Eine rechts. Eine links. Eine rechts. Eine links. Eine rechts. Ich stricke. Eine links. Eine rechts. Das ist im Moment meine kleine Abendmeditation. Als mein Schnupfen etwas nachließ und die Kopfschmerzen nicht mehr ganz so grausam zu mir waren, habe ich weitergemacht mit dem Üben der ersten Reihe. Und dann habe ich, als sie schöngleichmäßig geworden war, einfach eine zweite Reihe dazugestrickt. Eine dritte. Eine vierte.
Als ich zehn Reihen gestrickt hatte, maß ich nach, wie viele Maschen wie viele Zentimeter ergeben, und rechnete aus, wie viele Maschen ich stricken müsste, um einmal um meinen Kopf herumzustricken. Ich habe nämlich beschlossen, eine Mütze zu stricken. Mit Zopfmuster. Ja, ich bin ein bisschen übermütig geworden, sage mir aber, dass ich das schon hinbekomme – im Zweifelsfall wieder mithilfe eines Youtube – Videos. Auch wie ich die Rundung stricke, die eine Mütze oben am Kopf hat, weiß ich noch nicht. Deswegen werde ich bei dieser Mütze auch das Abnehmen von Maschen lernen.
Das Zopfmuster stellt sich als gar nicht so kompliziert heraus. Das Einzige, was man dafür braucht, ist eine dritte Nadel, auf der man ein paar Maschen ablegen kann, und sehr bewegliche Finger. Denn man strickt ein Stückchen ohne die beiseitegelegten Maschen weiter, und dann muss man sie wieder aufnehmen – was ein schönes Gezerre und Gezuppel ist, weil sich so eine Strickmasche auch nicht endlos in die Länge ziehen lassen will.
Mittlerweile bin ich dort angekommen, wo die Mütze langsam schmaler werden soll, und habe mir schon angeschaut, wie das geht.
Noch einfacher als die Zöpfe!, lache ich triumphierend, als ich herausfinde, dass man einfach nur zwei Maschen zusammenstrickt. Pah, kein Problem!
So sitze ich abends auf dem Sofa, eine links, eine rechts, eine links, eine rechts, zwei zusammenstricken, neben mir sitzt der Mann und liest ein Buch, und aus der Stereoanlage singt Bob Dylan.
Das Bild, das wir beide abgeben, würde eher in eine Berghütte passen als in eine Wohnung über einer rege befahrenen Kreuzung. Der Mann müsste allerdings einen grauenBart haben und ich eine geblümte Kittelschürze tragen. In der Ecke würde ein Feuer im Ofen brennen, vor dem sich eine Katze räkelt. Und auf der Armlehne des Sofas würde ein Spitzendeckchen liegen.
Dabei ist Stricken angeblich das neue Cool.
Warum fühlt es sich dann so wahnsinnig uncool an?
Also nicht, dass mir die Strickabende keinen Spaß machen würden, im Gegenteil. Es kostet mich erstaunlich wenig Überwindung, Freunden abzusagen, die mich zum Tanzengehen überreden wollen, und stattdessen einen Abend mit meinem Strickzeug zu verbringen. Aber cool ist es nicht. Wenn dagegen eine Sarah Jessica Parker strickend am Filmset sitzt, ist das
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