Hab ich selbst gemacht
Strom im Flur. Ich kippte den Sicherungsschalter wieder um, die Lampe brannte, und ich drückte auf den Lichtschalter, der in Bauchhöhe über der Steckdose ist, um auch die Deckenlampen zu prüfen.
In dem Moment, als ich auf den Schalter drückte, knallte es wieder, diesmal richtig laut, und ein Dübel flog mir entgegen; nur zwei Millimeter neben meinem rechten Auge schlug er in meinem Gesicht ein. Mein Herz raste, und mir wurde klar: Dieser Dübel hatte in einer Stromleitung gesteckt. Die ich angebohrt hatte.
Mein zweiter Gedanke war: Hätte ich mir ein paar Minuten Zeit genommen und mal die Umgebung in Augenschein genommen, in der ich das Schlüsselbrett aufhängen wollte, wäre mir sicher aufgefallen, dass Loch Nummer zwei direkt in einer Linie über Steckdose und Lichtschalter lag. Und dass es durchaus sein könnte, dass die Stromader sich über die gesamte Höhe der Wand nach oben zieht. Auf jeden Fall hätte ich das Schlüsselbrett wohl einfach einen Zentimeter nach links oder rechts verschoben und wäre damit auf der sicheren Seite gewesen.
Stattdessen musste ich jetzt den Mann anrufen und ihm meine Schande gestehen. Es war mir so unendlich peinlich, und vor allem war mir klar, dass wir einen Handwerker anrufen mussten, der sich beim Flicken der Stromleitung vermutlich nicht würde zurückhalten können, blöde Witze über Frauen und Bohrmaschinen zu reißen. Der Sexismus bayerischer Handwerker kennt nur wenige Grenzen.
Der Mann lachte sich kaputt, als ich ihm erklärte, was passiert war, und war nur ein bisschen besorgt, dass ich einen Stromschlag abbekommen hätte. Dafür war er so nett, am nächsten Morgen auf den Handwerker zu warten, während ich mich zur Arbeit verkrümelte. Später erzählte er mir, der Handwerker sei sehr cool gewesen und hätte erzählt, selbst schon aus Versehen Stromleitungen angebohrt zu haben.
Seitdem haben wir am Eingang unserer Wohnung auf Sichthöhe ein ovales, verputztes Stück Wand, das mich daran erinnert, dass ein kleines bisschen Planung auch der enthusiastischsten Loslegerin nicht schaden kann.
Deswegen lasse ich auch jetzt im Baumarkt dem Mann alle Zeit der Welt, um sich über Lacke zu informieren. Wir schwanken zwischen Speziallack und normalem Allzwecklack, der in billigen 5-Liter-Dosen angeboten wird. Ich bin mir eigentlich sicher, dass er sagen wird, ohne Speziallack könne ich das Bad allein renovieren, er wolle nicht für den anschließenden Pfusch mitverantwortlich sein. Sein Urteil nach ausgiebiger Suche lautet aber: »Wir nehmen den billigen.«
Ich schaue ihn überrascht an: »Echt jetzt?«
»Ja, in den Handwerkerforen sagen alle, dass es der normale Lack auch tut und man lieber zwei Mal übereinanderstreicht, als den fünffachen Preis zu bezahlen.«
So verlassen wir den Baumarkt nach fast einer Stunde endlich wieder, fahren nach Hause und ziehen uns alte Klamotten an. Hängen den Spiegel ab, rücken die Kommode beiseite, kleben Zeitungspapier auf dem Fußboden fest, kippen vorsichtig etwas von dem weißen Lack in unsere Ausstreichwannen und rollen die Lackierrollen darin ebenso vorsichtig hin und her. Noch ein bisschen vorsichtiger rollen wir die Farbe an der Wand ab. Beim zweiten Mal sind wir schon forscher, und dann wird das Lackieren ganz einfach, und es fühlt sich eigentlich nicht mehr anders an, als eine beliebige Wand mit Dispersionsfarbe zu streichen. Nur dass es natürlich penetrant stinkt. Das Fenster steht weit offen, aber wir versuchen trotzdem, flach zu atmen.
Wir haben an unterschiedlichen Ecken angefangen, und als wir uns in der Mitte der Wand treffen, schauen wir uns sehr zufrieden unsere Arbeit an: »Toll schaut das aus«, sagt der Mann und fügt ein bisschen geflasht hinzu: »Wahnsinn, dass wir einfach so die Kacheln lackieren.« Ich teile seinenEnthusiasmus, denn das Ergebnis gefällt mir. Es ist zwar etwas ungleichmäßig, aber gerade das macht es besonders schön. Das Improvisierte passt zum Rest der Wohnung.
Gut drei Stunden stehen wir im Bad, tauchen die Malerrollen immer wieder in den Lack, streichen Farbe an die Wände, bessern kleine Ecken mit einem Pinsel aus – und haben am Nachmittag ein neues Bad, über das wir uns freuen, als hätte uns jemand die Schlüssel für ein Haus am See überreicht.
Während wir das Bad und uns selbst putzen, backt im Ofen ein Brot, das ich zur Brotzeit raushole und auf den Küchentisch stelle, daneben einen Teller, auf den ich einen unserer beiden selbst gemachten Camemberts lege. Zur
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