Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hab keine Angst, mein Maedchen

Hab keine Angst, mein Maedchen

Titel: Hab keine Angst, mein Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
Vom Netzwerk:
in seiner Fantasie wirklich gruselig ausgesehen haben. Keine Ahnung. Er ist Hals über Kopf geflüchtet. Erst war ich nur erleichtert. Dann müde. Sehr müde, und ich muss kurz eingeschlafen sein. Danach bin ich zur nächsten Polizeidienststelle gefahren und habe ihn angezeigt. Dort haben sie mich auf eine unangenehme Art und Weise abgekanzelt. Ich fühlte mich jedenfalls nicht ernst genommen. Seitdem scheint alles andere auch auf den Kopf gestellt, und mir passieren mysteriöse Dinge. Eines nach dem anderen. Ich …«
    Magdalene sah mich unverändert aufmerksam an, und ich erzählte weiter. »Ich habe unser Haus kaum wiedererkannt. Alle Räume waren umgeräumt, und das innerhalb der wenigen Stunden meiner Abwesenheit. Meine Kinder und mein Mann, sie waren verschwunden. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Das war mehr als ungewöhnlich. Und am Telefon hat sich eine Frau gemeldet, die behauptet hat, meine Tochter zu sein. Sie sagte mir, mein Mann wäre bereits seit zehn Jahren tot. Sie können sich vorstellen, ich war völlig verwirrt und habe krampfhaft versucht, eine Erklärung zu finden. Ich dachte schon, ich hätte durch den Stress einen Migräneschub. Immerhin beginnt der öfter mit Wahrnehmungsstörungen.
    Später, in der Nacht, ist mein angeblicher Hausarzt in unser Haus eingedrungen und hat mich schließlich mit Sanitätern hierher geschafft. Zwangsweise. Ich verstehe das alles nicht. Doch je mehr ich grüble und nach einer Lösung suche, desto dichter wird der Nebel.«
    Ich sah Magdalene scharf an. Aber noch immer war nicht ein Ansatz von Spott in ihren Augen zu erkennen. Ich holte tief Luft und setzte zum Finale an.
    »Meine Mutter hat ihre schräge Freundin gebeten, mich mit einem Zauber zu belegen. Und den konnten sie angeblich nicht mehr rückgängig machen. Sie hat mich gestern davor gewarnt. Das ganze Theater haben sie inszeniert, um mir zu helfen. Hilfe sieht für mich allerdings anders aus. Ganz anders«, fügte ich hinzu. Jetzt hatte ich mich richtig in Zorn geredet.
    Zauber, hörte ich mich im Nachhinein sagen. Ich hatte wirklich Mamas Warnung laut ausgesprochen. Als würde ich an so was wie Zauberei glauben. So weit war es mit mir schon gekommen. Was, um Himmels willen, dachte Magdalene von mir? Hoffentlich klingelte sie nicht heimlich nach einer Schwester. Wenn sie vor mir Angst bekommen hätte, könnte ich es sogar verstehen.
    Aber sie wirkte weiterhin völlig unaufgeregt. Sie sah mich milde lächelnd an: »Frau Meinberg, überlegen Sie mal. Ihre Kinder werden mit Sicherheit schon erwachsen sein.«
    Nein. Nicht jetzt auch noch Magdalene! Nein. Sie konnte nicht zu dem Komplott gehören, dachte ich verzweifelt. Sie durfte es einfach nicht. Oder war es gar keines? War es am Ende wahr?
    »Was macht Sie so sicher? Wie kommen Sie und anscheinend die übrige Umwelt zu der Überzeugung, dass ich erwachsene Kinder haben könnte. Immerhin bin ich erst 41 und meistens werde ich locker zehn Jahre jünger eingeschätzt. Also warum?«
    Nun zwinkerte Magdalene nervös mit den Augen. Sie streckte ihren Oberkörper, als müsse sie die Antwort regelrecht aus sich herauspressen.
    »Frau Meinberg, warum wehren Sie sich so sehr dagegen, dass Ihre Kinder erwachsen sind? Versuchen Sie sich zu erinnern: an die Schulentlassung ihrer Kinder zum Beispiel. Was haben sie für einen Beruf erlernt. Sie waren sicher bei Abschlussprüfungen dabei. Oder auf den Hochzeiten. Das sind doch gravierende Ereignisse. Vielleicht haben Sie sogar Enkel.«
    Sie schaute mich wehmütig an. »Ich habe leider keine Kinder.«
    Ich hörte ihr angestrengt zu. Versuchte, die Worte zu verdauen. Wohin wollte Magdalene mich führen? Zu einer Erinnerung, die es nicht gab? Nicht geben konnte. Vielleicht war Magdalene früher Therapeutin gewesen und redete mit mir in vertrauten Mustern. Und ich war dabei, sie ernst zu nehmen. Immerhin befanden wir uns nicht gerade auf psychoneutralem Gelände.
    Ich beschloss, die eigentümliche Sitzung zu beenden. Wir hatten schon genug Zeit verplempert. Ich stand auf. »Zum letzten Mal: Meine Kinder sind neun und elf Jahre alt. Das war gestern. Warum stellen Sie mir so eigenartige Fragen? Warum tun Sie so, als wären innerhalb eines Tages Jahrzehnte vergangen? So eine große Zeitspanne vergisst man nicht. Nicht einfach so.«
    Magdalene zögerte. Sie rang offensichtlich mit sich. Dann sah sie entschlossen hoch und mir gerade in die Augen. »Gut, Sie sollen eine ehrliche Antwort bekommen. Sie behaupten, 41 Jahre alt zu

Weitere Kostenlose Bücher