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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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Gedanken: »Wer A sagt, muss auch B sagen.«
    »Wenn du schon so gern Vampir spielst«, schlug ich vor, »dann könntest du doch der Qualle mal einen ordentlichen Schrecken einjagen. Du müsstest ihr mitten in der Nacht als Untote erscheinen, mit Wolframs Stimme sprechen und ihr ordentlich die Leviten lesen…«
    »Tolle Idee!«, rief sie begeistert. »Karla, du wirst immer kreativer!«

16
    Mimikry
    Es war so mühsam und stumpfsinnig! Judith hatte es gut, schon früh hatte sie sich aus dem Haus geschlichen, und nun konnte sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen, fand womöglich sogar Zeit für einen Krimi. Ich dagegen quälte mich durch Wolframs Akten, verfasste Anschreiben an Versicherungen und verteilte in der Anlage die Sterbeurkunden. Als ich mir zu allem Übel noch beim Zukleben eines Umschlags in die Lippe schnitt, sank meine Laune auf den Tiefpunkt.
    Es herrschte keineswegs die erhoffte Systematik in den Ordnern, aber wenigstens ein alphabetisches Grundprinzip. Nicht einmal die Bankauszüge waren leicht zu entschlüsseln, doch nach eingehender Lektüre war ich mir sicher, dass Bernadette bis zu ihrem Tod ein prallgefülltes eigenes Konto bei der Volksbank hatte, wovon gelegentlich größere Summen an ihre Nichte überwiesen wurden. Hier waren auch regelmäßige Einnahmen zu verzeichnen, rund 1200   Euro monatlich unter dem geheimnisvollen Stichwort Lützelsachsener sowie eine Sofortrente von 700   Euro, die Bernadette in fortgeschrittenem Alter erkauft hatte. Andererseits erfolgten auch die regelmäßigen Abbuchungen für Strom, Versicherungen, Telefon, Gas und dergleichen über die Volksbank. Nach Bernadettes Tod erlosch die Rente, und das Konto lief auf Wolframs Namen weiter, nur hatte er mir hierfür dummerweise keine Vollmacht erteilt.
    Da mich niemand hören konnte, fluchte ich ausgiebig und unanständig. Für den Grabstein und die Grabpflege hatte ich zwar genug Reserven, da ich auf Judiths Rat hin das Sparkassenkonto aufgelöst hatte, doch woher das nötige Geld für den Umzug, einen Gärtner, Renovierungen, eventuell sogar Umbauten nehmen, von der drohenden Steuer ganz zu schweigen? Judith hatte in Erfahrung gebracht, dass Notare, Standesämter, Banken und Versicherungen gesetzlich verpflichtet waren, jede Erbschaft umgehend an das Finanzamt zu melden.
    Endgültig überfordert von all diesen Komplikationen, ließ ich alles stehen und liegen und ging erst einmal die Briefe einwerfen und einkaufen. Zur Feier des Tages und der Tatsache, dass der Sarg gestern ungeöffnet unter die Erde gekommen war, wollte ich für Judith und mich etwas Feines kochen.
    Lange trödelte ich bei Edeka herum, bis ich mich für Rinderlende im Blätterteigmantel mit geschmolzenen Tomaten und frischem Blattsalat entschied und alle nötigen Zutaten in meinem Einkaufswagen verstaute.
    Judith kam früher als geplant und nicht allein nach Hause. Cord folgte ihr bis in die Küche, den Blick zu Boden gesenkt wie ein Kind, das etwas ausgefressen hat. Doch so, wie es aussah, führte er schon wieder etwas im Schilde: Er trug einen Tarnanzug.
    »Wir haben das Kriegsbeil begraben«, erklärte Judith. »Cord tut es wahnsinnig leid, dass er so spontan zugelangt hat, das wird nicht wieder vorkommen. – Es riecht ausgesprochen lecker, hast du zufällig ein bisschen mehr gekocht?«
    Was sollte ich machen, ich hatte nicht den Mumm, den zerknirschten Cord vor die Tür zu setzen. Ich stotterte nur: »Sind Sie jetzt beim Militär?«
     Judith lachte lauthals los. »Der? Cord hat sich uns zuliebe zu einer Feldübung bereit erklärt. Er will sich mal umsehen, wo und wie die Qualle wohnt, was sie für Gewohnheiten hat und so weiter… Soll ich den Tisch auf der Terrasse decken?«
    »Dann sieht uns womöglich Frau Altmann, wer weiß, wie sie das wieder interpretiert.«
    Judith nickte, nahm drei Teller aus dem Regal und schickte Cord zum Weinholen in den Keller.
    »Rot oder weiß?«, fragte er nur.
    Kaum war er außer Sicht, schimpfte ich los: »Wie kannst du nur! Du hattest mir versprochen, den Kerl nie wieder reinzulassen! Und jetzt schleppst du ihn höchstpersönlich ins Haus!«
    »Unterschätz das nicht, Karla, ein Mann kann in unserem Fall sehr nützlich sein. Wer soll denn bitte schön sonst die Qualle observieren? Uns beide kennt sie ja schon…«
    »Der Odenwald ist kein Dschungelcamp! In dieser idiotischen Verkleidung fällt er in einem Kaff doch auf wie ein bunter Hund! Wenn er nicht ganz so blöde wäre, hätte er sich für Jeans und Sneakers

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