Hab und Gier (German Edition)
Odenwald.«
Der Herr wollte offenbar heute schon wieder mit uns dinieren. Immerhin lieferte mir das erneut einen Vorwand, den Papierkram aufzuschieben und erst einmal einkaufen zu gehen. Aber etwas bereitete mir doch noch Sorgen: »Hast du Frau Altmann erzählt, dass du mit Judith befreundet bist?«
»Kein Wort. Die Alte denkt, dass ich schwarzarbeite, und wollte mich am liebsten gleich anheuern. Will aber nicht.«
Ich betrachtete die Schweißperlen auf seinem muskulösen Brustkorb. Der Typ ist stark, dachte ich, es wäre kein Problem für ihn, mir mal ganz nebenbei den Hals umzudrehen. In so einem Fall wird ja empfohlen, mit dem potentiellen Täter zu fraternisieren, ihn unter keinen Umständen zu provozieren oder gar zu demütigen.
Schicksalsergeben machte ich mich geradewegs auf den Weg zum Supermarkt. Es war lange her, dass ich für einen hungrigen Mann gekocht hatte, denn Wolfram konnte man nicht rechnen, der aß nur noch wie ein Vögelchen. Cord braucht viel Schappi, hatte Judith gesagt, die ihrerseits auch keine Kostverächterin war. Aber jeden Tag Rinderlende, das ging zu weit. Ich kaufte ein Kilo gemischtes Hackfleisch, ein Netz mit fest kochenden und eines mit mehligen Kartoffeln, verschiedene Gemüse und ein großes Bauernbrot.
Drei Meter vor der Kasse tauchte plötzlich Frau Altmann auf, schob ihren Einkaufswagen direkt hinter meinen und tat ebenso überrascht wie hocherfreut. »Darf ich wieder mit Ihnen nach Hause fahren?«, fragte sie. »Es ist zwar nicht weit, aber wenn man eine schwere Tasche tragen muss…«
Sie hat keinen Wagen, dachte ich, wahrscheinlich auch keinen Führerschein. Das wird noch was werden! Von jetzt an will sie bestimmt immer von mir chauffiert werden.
»Welch reizenden jungen Mann Sie da aufgegabelt haben«, plapperte sie. »Man sieht gleich, dass er einen grünen Daumen hat. Haben Sie ihn durch ein Inserat gefunden?«
»Meine Kollegin kennt ihn schon lange«, sagte ich.
»Was haben Sie als Stundenlohn ausgehandelt? Hat er noch Kapazitäten frei? Werden Sie ihn auch in der Lützelsachsener Straße einsetzen?«
»Da müssen Sie ihn am besten selber fragen«, wich ich aus und überlegte, worauf Frau Altmann mit der bewussten Straße in unserem südlichen Stadtteil anspielen konnte. Hatte es etwas mit den regelmäßigen Überweisungen zu tun?
»Wer wohnt eigentlich dort?«, fragte ich.
»Weiß ich auch nicht, die Mieter haben ja immer mal gewechselt. Zuletzt soll es ein Arzt gewesen sein, aber ich glaube, der hat inzwischen selbst gebaut.«
Man kann auch mal Glück haben! Ohne stundenlang in fremden Ordnern stöbern zu müssen, hatte ich ganz en passant erfahren, dass Bernadette ein weiteres, gut vermietetes Haus besaß. In der Lützelsachsener Straße standen zumeist noble Villen oder gepflegte Einfamilienhäuser mit Gärten; die Nähe zum Schlosspark machte dieses Viertel zu einem bevorzugten Wohngebiet der gehobenen Gesellschaft. Demnächst hatte ich womöglich die Qual der Wahl, welches der beiden Häuser ich verkaufen und in welchem ich wohnen wollte. Allerdings musste ich mich nun doch dringend mit Bernadettes Papierkram befassen, um Näheres über meine Zweitvilla herauszukriegen. Nach kurzem Nachdenken beschloss ich, Judith lieber nichts davon zu erzählen. Man musste sie ja nicht unbedingt an allen geerbten Immobilien beteiligen.
Abends saßen wir auf der Terrasse, und Cord zeigte stolz auf den Scheiterhaufen, den er in der Mitte des Gartens aufgetürmt hatte. Von wegen grüner Daumen, dachte ich, vorher sah es tausendmal besser aus. Die dichte Ligusterhecke hatte wie die Mauern eines mittelalterlichen Klosters Zuflucht vor der feindlichen Außenwelt gewährt und mein Grundstück vor den Blicken der Nachbarn abgeschirmt, jetzt war der pflanzliche Schutzwall drastisch geschrumpft, und ich fühlte mich wie auf dem Präsentierteller.
»Und wie werden wir den ganzen Grünschnitt wieder los?«, fragte ich, aber Cord wusste Rat.
Wenn es sich richtig lohne, fahre er alles zur Kompostieranlage, brauche aber dafür meinen Wagen und einen Anhänger.
»Keine Angst, Karla«, sagte Judith, »das kriegen wir in einer Woche gebacken! So nach und nach kommen die Bäume und am Schluss die Wiese dran. Wenn wir damit fertig sind, kann man neu bepflanzen. Überleg dir schon mal, welche Blumen du am liebsten magst und ob wir auch Tomaten und Kräuter anbauen sollten…«
»Und wenn unsere schönen Pläne in die Hose gehen?«, fragte ich. »Wenn die Qualle nach einem
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