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Hab und Gier (German Edition)

Hab und Gier (German Edition)

Titel: Hab und Gier (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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hören, was es Neues von der Qualle gibt«, sagte Judith und häufte sich den Teller voll. »Wir warten schon sehnsüchtig beim Leibgericht auf den Lagebericht.«
    »Eure Madame war heute Vormittag ungefähr eine Stunde lang bei einem Rechtsanwalt in Darmstadt«, sagte der mampfende Cord. »Sie konnte mich manchmal abhängen, aber an den Ampeln habe ich sie immer wieder eingeholt.«
    Judith schnellte hoch. »Scheiße!«, rief sie. »Sie hat bestimmt gemerkt, dass sie von einem Deppen verfolgt wurde! Aber erst mal schön der Reihe nach, Karla und ich wollen jedes Detail wissen.«
    Er schien sich über ihre harten Worte nicht weiter zu grämen und schob gelassen ein abgenagtes Hühnerbein an den Tellerrand. »Keine Angst, ich war nie mit der Stoßstange dran. Außerdem hat sie nur selten in den Rückspiegel geschaut, die nimmt so einen wie mich überhaupt nicht wahr. – Der Hund ist übrigens sehr anhänglich. Der stromerte draußen herum und hat sich sofort mit mir angefreundet. Eigentlich könnten wir uns auch einen anschaffen, so ein großer Garten ist doch ideal. Also, gestern Abend habe ich mich erst mal umgesehen, wo sie wohnt: etwas außerhalb, in einem umgebauten Gehöft. Alles vom Feinsten mit Schwimmbad und Seerosenteich. Und jetzt kommt der Hammer: In der ehemaligen Scheune stehen vier Autos und zwei Motorräder!«
    »Irgendwelche alten Klapperkisten?«, fragte ich.
    »Von wegen!«, protestierte Cord. »Fast neue Wagen mit Nummernschildern, auch ein richtig teurer Schlitten ist dabei und ein Pickup. Und die zwei Yamaha- GP -Rennmaschinen sind auch nicht von schlechten Eltern. Ein teures Hobby, kann man wohl sagen.«
    »Lebt sie allein?«, fragte Judith.
    »Noch bevor die Qualle fortfuhr, kam ein Mann aus dem Haus und brauste mit dem Porsche davon. Der kam mir ein bisschen wie ein Schauspieler vor, braungebrannt, offenes Hemd, schneeweiße Zähne, blond und ziemlich jung…«
    »Kein Neid!«, bemerkte Judith.
    »Ich konnte ja nicht gut beide beschatten«, sagte Cord. »Der Typ sah aber nicht so aus, als ob er malochen ginge.«
    »Generation Y«, sagte Judith nur. Und auf meinen fragenden Blick erläuterte sie: »Man nennt sie auch die Kuschelkohorte. Bestimmt ein reiches Muttersöhnchen, das Golf spielt und nur gelegentlich arbeitet, wenn’s ihm Spaß bringt. Doch vielleicht ist das ein Vorurteil, ich sollte mir den hübschen Jungen erst mal ansehen.«
    »Ich könnte ihm mal im Dunkeln begegnen«, bot Cord eilig an.
    »Untersteh dich«, sagte Judith.
    »Mich beschäftigt der Besuch beim Rechtsanwalt weit mehr«, unterbrach ich ihr Geplänkel. »Sicher lässt sie sich beraten, wie sie Wolframs Testament anfechten kann.« Gleichzeitig schwante mir, dass es riskant gewesen war, Cord in unsere Pläne einzuweihen.
    »Und bestimmt ist es ein Winkeladvokat, der mit allen Wassern gewaschen ist«, sagte Judith und zog die Stirn kraus.
    »Morgen kann ich mal versuchen, ins Haus zu kommen«, erklärte Cord. »Mit einem Akkubohrer kriegt man in null Komma nichts die Zargen der Balkontür auf. Direkte Nachbarn gibt es nicht, der Hund kennt mich mittlerweile und ist absolut friedlich…«
    »Auf keinen Fall sollst du ein krummes Ding drehen«, sagte Judith ärgerlich. »Es darf um Gottes willen nicht auffallen, dass jemand eingestiegen ist. Von wegen Akkubohrer!«
    »Ein gekipptes Fenster wäre ideal«, meinte Cord. »Aber nach was soll ich eigentlich suchen?«
    Judith und ich sahen uns etwas ratlos an. Klar, wir wollten Beweise, dass die Qualle nie und nimmer eine karitative Seele war, sondern ihre Verwandten für eigennützige Zwecke geschröpft hatte. Aber wie sollte solch ein tumber Sherlock Holmes in fremdem Papierkram belastende Belege finden? Schon ich tat mich schwer mit Wolframs Akten und brauchte Stunden über Stunden, um sie zu sichten.
    Judith antwortete etwas vage: »Du musst ein Gespür dafür entwickeln, was normal und was verdächtig ist. Die Nobelkarossen in der Scheune deuten auf einen aufwendigen Lebensstil hin, der Pool und der blonde Schönling auch. Dafür, dass sich die Qualle wirklich für soziale Projekte engagiert, gibt es bis jetzt nicht den geringsten Anhaltspunkt.«
    »Ich fahre heute Abend noch mal rüber«, sagte Cord. »Und werde bei der Gelegenheit auch gleich ein paar Boskoops ernten. Ganz in der Nähe habe ich eine Obstplantage entdeckt.«
    »Spinnst du? Die sind jetzt noch gar nicht reif!«, meinte Judith. »Kann man eigentlich durch die Fenster reinschauen? Oder sogar das Pärchen

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