Haben oder Nichthaben
ich Leute zum Angeln rausfuhr. Dann werde ich verwundet, verliere einen Arm und mein Boot, alles für eine Scheißladung von Sprit, die kaum so viel wert ist wie mein Boot. Aber eines sag ich dir, meine Gören werden keinen Kohldampf schieben, und ich werde keine Abzugskanäle für die Regierung graben für so wenig Geld, daß es nicht langt, um sie satt zu kriegen. Na, graben kann ich jetzt sowieso nicht. Ich weiß nicht, wer die Gesetze gemacht hat, aber ich weiß, es gibt kein Gesetz, daß man hungern muß.»
«Ich hab von wegen der Löhne gestreikt», sagte ich zu ihm.
«Und nun arbeitest du wieder», sagte er. «Sie haben gesagt, daß ihr gegen die Wohltätigkeit gestreikt habt. Du hast doch immer gearbeitet, nein? Du hast doch nie jemanden um Wohltätigkeit gebeten, was?»
«Es gibt keine Arbeit», sagte ich. «Es gibt nirgends Arbeit, von der man leben kann.»
«Warum?»
«Ich weiß nicht.»
«Ich auch nicht», sagte er. «Aber meine Familie wird essen, so lange wie irgendwer ißt. Was sie versuchen ist, euch conchs hier durch Hunger rauszudrücken, damit sie eure Bretterbuden runterbrennen können und Etagen bauen können und ‘n Touristenzentrum daraus machen können. Das ist, was ich gehört habe. Ich hab gehört, sie kaufen Bauplätze auf, und wenn sie die armen Leute rausgehungert haben, und die anderswohin sind, um weiter zu hungern, dann sind sie an der Reihe und werden eine Attraktion für Touristen daraus machen.»
«Du redest wie ein Radikaler», sagte ich.
«Ich bin kein Radikaler», sagte er. «Aber ‘ne Wut hab ich, ‘ne Wut hab ich schon lange.»
«Einen Arm verlieren trägt auch nicht zur Erheiterung bei.»
«Zum Teufel mit meinem Arm. Man verliert einen Arm, dann verliert man eben einen Arm. Es gibt Schlimmeres als einen Arm verlieren. Man hat zwei Arme, und man hat zwei von was anderm. Und ein Mann ist noch immer ein Mann mit einem Arm oder mit einem von denen. Scheiße», sagte er, «ich will nicht darüber reden.»
Dann sagt er eine Minute später: «Die anderen zwei habe ich noch.»
Dann ließ er den Motor anspringen und sagte: «Los, komm, wir wollen mal mit den Kerlen reden.»
Wir fuhren den Boulevard entlang, und der Wind blies stark, und ein paar Autos fuhren an uns vorüber, und es roch nach verwelktem Seetang auf dem Zement, wo die Wellen bei Hochflut über den Seedeich gegangen waren, und Harry fuhr mit der linken Hand. Ich mochte ihn immer gut leiden, und früher war ich oft mit ihm im Boot draußen gewesen. Aber jetzt war er ganz verändert, seit er den Arm verloren hatte und der Kerl da, der aus Washington auf Besuch hier gewesen war, ausgesagt hatte, daß er gesehen hatte, daß er damals Sprit versenkt hatte und die Zollfritzen sein Boot beschlagnahmt hatten. Auf einem Boot war er in seinem Element, und ohne sein Boot fühlte er sich einfach aufgeschmissen. Ich glaube, er war froh, daß er einen Grund hatte, es zu stehlen. Er wußte, daß er es nicht behalten konnte, aber vielleicht konnte er ein Stück Geld mit ihm machen, während er’s hatte. Ich brauchte das Geld nötig genug, aber ich wollte nicht in Schwulitäten kommen.
«Weißt du, Harry», sagte ich zu ihm. «Ich will nicht in ernstliche Schwulitäten kommen.»
«In einer schlimmeren Schwulität, als du jetzt bist, kannst du ja wohl nicht sein», sagte er. «Was gibt’s denn Schlimmeres, verflucht noch mal, als hungern?»
«Ich hungere nicht», sagte ich. «Teufel noch mal, was redest du die ganze Zeit über von Hungern.»
«Vielleicht du nicht, aber deine Gören.»
«Hör schon damit auf», sagte ich. «Ich werd mitmachen, aber so kannst du nicht mit mir reden.»
«Schön», sagte er. «Aber bist du auch sicher, daß du mitmachen willst? Ich kann in der Stadt genug Leute finden.»
«Ich will», sagte ich. «Ich hab dir ja gesagt, daß ich will.»
«Also, dann mal lustig.»
«Sei du mal lustig», sagte ich. «Du bist doch der, der wie ein Radikaler redet.»
«Also, dann mal lustig», sagte er. «Keiner von euch conchs hat Mark in den Knochen.»
«Seit wann bist du denn kein conch?»
«Seit der ersten anständigen Mahlzeit, die ich je gegessen habe.»
Jetzt redete er richtig niederträchtig, und schon als Junge hatte er für niemanden Mitleid gehabt. Aber mit sich selbst hatte er auch niemals kein Mitleid.
«Na schön», sagte ich zu ihm.
«Reg dich nicht auf», sagte er.
Vor uns konnte ich die Lichter der Kneipe sehen.
«Hier treffen wir sie», sagte Harry. «Du halt die
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