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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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hat’s gefunden», sagte Harry.
    Marie sah ihn an. «Wer hat’s gefunden?»
    «Die Zollfritzen.»
    «O Harry», sagte sie voller Mitgefühl.
    «Ist es nicht besser, daß sie’s gefunden haben, Paps?» fragte das zweite Mädchen.
    «Red nicht, während du ißt», sagte Harry zu ihr. «Wo ist mein Essen? Worauf wartet ihr denn?»
    «Ich hol’s schon.»
    «Ich hab’s eilig», sagte Harry. «Mädchen, eßt auf und zieht ab. Ich hab mit eurer Mutter zu reden.»
    «Paps, können wir Geld kriegen, um heute nachmittag ins Kino zu gehen?»
    «Warum geht ihr nicht schwimmen? Das kostet nichts.»
    «Aber Paps, es ist doch zu kalt zum Schwimmen, und wir möchten so gern ins Kino gehen.»
    «Schön», sagte Harry, «schön.»
    Als die Mädchen aus dem Zimmer waren, sagte er zu Marie: «Schneid’s mir bitte, ja?»
    «Gewiß doch, Schatz.»
    Sie zerschnitt das Fleisch wie für einen kleinen Jungen.
    «Danke», sagte Harry. «Ich bin schon ein gottverdammtes Stück Malheur, was? Und an den Mädchen ist auch nicht viel dran, nicht wahr?»
    «Nein, Schatz.»
    «Komisch, daß wir keine Jungens kriegen konnten.»
    «Weil du so ein Kerl bist. Dadurch gibt’s immer Mädchen.»
    «Ich bin gar nicht so ein Teufelskerl», sagte Harry. «Aber hör mal zu, ich geh auf eine verteufelte Tour.»
    «Erzähl mir, was ist denn mit dem Boot?»
    «Die haben’s von ‘nem Lastwagen aus gesehen. Einem hohen Lastwagen.»
    «Schande.»
    «Schlimmer als das. Scheiße.»
    «Herrje, Harry, red doch nicht so hier im Haus.»
    «Manchmal sagst du im Bett viel schlimmere Sachen.»
    «Das ist was anderes. Ich mag Scheiße nicht bei mir am Tisch hören.»
    «Ach, Scheiße.»
    «Herrje, Schatz, dir ist gräßlich zumute, was?» sagte Marie.
    «Nein», sagte Harry. «Ich denke nur gerade nach.»
    «Na, dann tiftel es dir man aus. Ich hab Vertrauen zu dir.»
    «Vertrauen hab ich auch. Das ist das einzige, was ich habe.»
    «Willst du mir davon erzählen?»
    «Nein. Nur mach dir keine Gedanken, ganz egal, was du hörst.»
    «Ich werd mir keine machen.»
    «Hör mal, Marie, geh mal rauf in die Bodenkammer und hol mir das Thompsongewehr und guck mal in die hölzerne Kiste mit den Patronen und sieh zu, daß auch alle Magazine gefüllt sind.»
    «Nimm das nicht mit.»
    «Ich muß.»
    «Brauchst du auch Schachteln mit Patronen?»
    «Nein. Ich kann keine Magazine füllen. Ich hab vier Magazine.»
    «Schatz, du gehst doch nicht auf so eine Tour?»
    «Ich geh auf eine verteufelte Tour.»
    «Ach Gott», sagte sie. «Ach Gott, ich wünschte, du brauchtest so was nicht zu tun.»
    «Komm, los und hol’s und bring’s mir her. Und gib mir ein bißchen Kaffee.»
    «Okay», sagte Marie. Sie lehnte sich über den Tisch und küßte ihn auf den Mund.
    «Laß mich in Ruhe», sagte Harry. «Ich muß nachdenken.»
    Er saß am Tisch und blickte auf das Klavier, das Büfett und das Radio, das Bild Septembermorgen und die Bilder mit den Kupidos, die ihre Bogen hinter den Köpfen hielten, den blanken, echt eichenen Tisch und die blanken, echt eichenen Stühle und die Gardinen an den Fenstern, und er dachte: Was für ‘ne Chance hab ich schon, mein Heim zu genießen? Warum bin ich jetzt schlimmer daran als damals, als ich anfing? Und auch dies wird alles weg sein, wenn ich das jetzt nicht richtig schaukle. Verflucht noch mal, das wird es. Außer dem Haus hab ich keine 60 Dollar, aber hier werde ich schon einen anständigen Batzen rauskriegen.
    Die verfluchten Mädchen! Das ist alles, was die Alte und ich schließlich fertiggebracht haben. Ob die Jungens, die sie in sich hatte, wohl schon vor meiner Zeit alle futschgegangen waren?
    «Hier ist es», sagte Marie. Sie trug es an der Schlaufe aus imprägniertem Segeltuch. «Sie sind alle voll.»
    «Ich muß gehen», sagte Harry. Er hob die unhandliche Last des auseinandergenommenen Gewehrs in seinem öldurchtränkten Segeltuchfutteral hoch. «Leg es unter den Vordersitz.»
    «Wiedersehen», sagte Marie.
    «Wiedersehen, Alte.»
    «Ich werd mir keine Sorgen machen. Aber bitte, nimm dich in acht!»
    «Sei brav.»
    «Ach, Harry», sagte sie und hielt ihn dicht an sich gepreßt.
    «Laß mich gehen. Ich hab keine Zeit.»
    Er tätschelte ihr mit dem Armstummel den Rücken.
    «Du mit deiner Schildkrötenflosse», sagte sie. «Ach, Harry, nimm dich in acht!»
    «Ich muß gehen. Wiedersehn, Alte.»
    «Wiedersehn, Harry.»
    Sie sah ihm nach, wie er aus dem Haus ging, groß, breitschultrig, flachrückig, mit schmalen Hüften, und sie dachte, er

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