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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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losgezogen und stundenlang weggeblieben. John hat mich nach Hause gebracht.»
    «Also John heißt er?»
    «Ja, John. John. JOHN.»
    «Und wie heißt er mit Nachnamen? Thomas?»
    «Er heißt MacWalsey.»
    «Warum buchstabierst du es nicht?»
    «Das kann ich nicht», sagte sie und lachte. Aber es war das letzte Mal, daß sie lachte. «Glaub nicht, daß etwa alles in Ordnung ist, weil ich lache», sagte sie mit Tränen in den Augen, und ihre Lippen zuckten. «Es ist nichts in Ordnung. Dies ist nicht ein gewöhnlicher Krach. Es ist aus. Ich hasse dich nicht. Es ist gar kein leidenschaftliches Gefühl. Du bist mir nur einfach zuwider. Du bist mir ganz und gar zuwider. Ich bin fertig mit dir.»
    «Schön», sagte er.
    «Nein, nicht schön. Es ist aus. Verstehst du denn nicht?»
    « Wahrscheinlich doch.»
    «Sag nicht ‹wahrscheinlich doch›.»
    «Sei nicht so melodramatisch, Helen.»
    «So? Also ich bin melodramatisch? Wirklich? Na, das bin ich nicht. Ich bin fertig mit dir.»
    «Das bist du nicht.»
    «Ich sag’s nicht noch mal.»
    «Was hast du vor?»
    «Ich weiß noch nicht. Vielleicht heirate ich John MacWalsey.»
    «Das wirst du nicht tun.»
    «Das werde ich, wenn ich will.»
    «Der würde dich gar nicht heiraten.»
    «O doch, er würde. Er hat mir heute nachmittag gesagt, wir sollten heiraten.»
    Richard Gordon sagte nichts. Eine Leere war jetzt dort, wo sein Herz gewesen war, und alles, was er sagte oder hörte, schien irgendwie belauscht zu werden.
    «Was hat er dir gesagt?» sagte er. Seine Stimme klang wie von weit weg.
    «Ob ich ihn heiraten will.»
    «Warum?»
    «Weil er mich liebt. Weil er möchte, daß ich mit ihm lebe. Er verdient genug Geld für meinen Lebensunterhalt.»
    «Du bist mit mir verheiratet.»
    «Nicht wirklich. Nicht in der Kirche. Du wolltest dich ja nicht kirchlich trauen lassen, und das hat meiner armen Mutter das Herz gebrochen, das weißt du ja. Ich war so gefühlvoll deinetwegen; ich hätte jedem für dich das Herz gebrochen. Gott, was war ich für ein Idiot! Es hat auch mir das Herz gebrochen. Es ist gebrochen und kaputt. Alles, woran ich glaubte, und alles, woran ich hing, hab ich deinetwegen verlassen, weil du so fabelhaft warst und du mich so liebtest, daß die Liebe das einzige war, worauf es ankam. Liebe war das Größte auf der Welt, nicht wahr? Liebe war das, was wir hatten, was kein anderer hatte oder je haben würde. Und du warst ein Genie, und ich war das A und O deines Lebens. Ich war dein Kamerad und deine kleine schwarze Blume. Gewäsch. Liebe ist auch nur eine schmutzige Lüge. Liebe sind Erapiolpillen, damit ich meine Periode kriegte, weil du Angst hattest, daß ich ein Baby bekommen würde. Liebe ist Chinin und Chinin und Chinin, bis ich taub davon bin.
    Liebe ist das dreckige Scheusal von einer Abtreiberin, zu der du mich geschleppt hast. Liebe, das bedeutet, daß ich innen ganz versaut bin, das bedeutet Katheter und Ausspülungen. Ich weiß über Liebe Bescheid. Liebe hängt immer hinter der Badezimmertür. Sie riecht nach Lysol. Zum Teufel mit der Liebe. Liebe, das heißt, daß du mich glücklich machst und daß du mit offenem Mund einschläfst, während ich die ganze Nacht durch wach liege und Angst habe, zu beten, weil ich weiß, daß ich kein Recht mehr dazu habe.
    Liebe, das sind all die schmutzigen kleinen Tricks, die du mir beigebracht hast, die du wahrscheinlich aus irgendwelchen Büchern hattest. Gut. Ich bin fertig mit dir, und ich bin fertig mit der Liebe. Deiner Art von popliger Liebe, du Schriftsteller.»
    «Du kleine irische Schlampe.»
    «Beschimpf mich nicht. Ich weiß, was du bist.»
    «Gut.»
    «Nein, nicht gut. Sondern schlecht, Gott, so schlecht. Wenn du wenigstens ein guter Schriftsteller wärst, dann könnte ich mich vielleicht mit all dem Übrigen abfinden. Aber ich habe dich verbittert und eifersüchtig gesehen, und du hast deine Politik gewechselt, um der Mode zu entsprechen, und du hast den Leuten ins Gesicht Schmeicheleien gesagt und hinter ihrem Rücken Böses geredet. Ich hab so viel von dir gesehen, daß mir schlecht von dir ist. Dann diese reiche Bradleysche Drecksnutte heute. Ach, ich hab genug davon. Ich hab versucht, für dich zu sorgen und dich bei guter Laune zu halten und mich um dich zu kümmern und für dich zu kochen, und ich war still, wenn du’s wolltest, und vergnügt, wenn du’s wolltest, und ich hab dir deine kleinen Explosionen verschafft und so getan, als ob mich das glücklich machte, und ich hab mich mit deinen

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